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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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mag das liegen?
    Denn wenn es auf dem Grund jenes Brunnens, der die Kindheit ist, jemanden gab, dann war das sie, meine Mutter, Mama. Sie bereitete alle Mahlzeiten für uns zu und versam melte uns Abend für Abend zum Essen in der Küche. Sie kaufte, strickte oder nähte unsere Kleider und flickte sie, wenn sie kaputt gingen. Sie holte uns Pflaster, wenn wir gefallen waren und uns die Knie aufgeschlagen hatten, sie fuhr mich ins Krankenhaus, als ich mir das Schlüsselbein gebrochen hatte, und zum Arzt, als ich, weniger heroisch, die Krätze hatte. Sie war außer sich vor Angst, als ein junges Mädchen an einer Hirnhautentzündung starb und ich mich zur selben Zeit erkältete und einen etwas steifen Nacken bekam, da hieß es ab in den Wagen und mit durchgetretenem Gaspedal und angsterfüllt lodernden Augen nach Kokkeplassen hinaus. Sie las uns vor, sie wusch uns die Haare, wenn wir badeten, sie legte hinterher den Schlafanzug für uns heraus. Sie fuhr uns abends zum Fußballtraining, sie ging zu den Elternversammlungen und saß an unseren letzten Schultagen zwischen den anderen Eltern und machte Fotos von uns. Sie klebte die Bilder anschließend in Fotoalben ein. Sie backte unsere Geburtstagskuchen und die Kuchen zu Weihnachten und die Weckchen zur Fastnacht.
    All das, was Mütter für ihre Söhne tun, tat sie für uns. War ich krank, lag im Bett und glühte vor Fieber, kam sie mit einem kalten Tuch herein und legte es mir auf die Stirn, steckte sie mir das Thermometer in den Po, um die Temperatur zu messen, brachte sie Wasser, Saft, Trauben, Kekse herein, stand sie nachts auf und kam im Nachthemd ins Zimmer, um nach mir zu schauen.
    Sie war immer da, das weiß ich, trotzdem kann ich mich einfach nicht erinnern.
    Ich entsinne mich nicht, dass sie mir jemals vorlas, ich kann mich nicht erinnern, dass sie mir ein einziges Pflaster auf meine Knie geklebt oder an einer einzigen Feier am letzten Schultag teilgenommen hätte.
    Woran mag das liegen?
    Sie rettete mich, denn wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich alleine mit Vater aufwachsen müssen, und dann hätte ich mir früher oder später auf irgendeine Weise das Leben genommen. Aber sie war da, Vaters Finsternis wurde ausgeglichen, ich lebe, und dass ich dies nicht voller Freude tue, hat nichts mit der Balance in meiner Kindheit zu tun. Ich lebe, bin selbst Vater und habe im Zusammenleben mit meinen Kindern im Grunde immer nur ein einziges Ziel verfolgt: dass sie keine Angst vor ihrem Vater haben.
    Sie haben keine. Das weiß ich.
    Wenn ich das Zimmer betrete, in dem sie sich aufhalten, zucken sie nicht zusammen, schauen sie nicht zu Boden, schieben sie sich nicht aus dem Raum, sobald sich ihnen die Chance dazu bietet, nein, wenn sie mich ansehen, geschieht es eher gleichgültig und fast beiläufig, und ich habe nichts dagegen, von ihnen übersehen zu werden, und bin froh, von ihnen als selbstverständlich angesehen zu werden. Und sollten sie völlig vergessen haben, dass ich früher da war, wenn sie selbst einmal vierzig sind, werde ich mich verneigen und es dankend annehmen.
    Vater wusste, dass es sich so verhielt. An Selbsterkenntnis mangelte es ihm nicht. Eines Abends Anfang der achtziger Jahre sagte er zu Prestbakmo, seine Frau habe seine Kinder gerettet. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das genug war. Es stellt sich die Frage, ob sie nicht die Verantwortung dafür trug, dass wir ihm so viele Jahre ausgeliefert waren, einem Mann, vor dem wir uns grundsätzlich fürchteten, und zwar immer, jederzeit. Es bleibt die Frage, ob es ausreicht, die Finsternis auszugleichen.
    Sie traf eine Entscheidung, sie blieb bei ihm, dafür muss sie ihre Gründe gehabt haben.
    Für ihn galt das Gleiche, auch er traf eine Entscheidung, auch er blieb. Während der gesamten siebziger Jahre und der ersten Jahre der Achtziger lebten sie so, mit ihren zwei Kindern, ihren zwei Autos und ihren zwei Arbeitsstellen Seite an Seite in dem Haus in Tybakken. Sie hatten ein Leben außerhalb des Hauses und ein Leben im Haus, so wie sie füreinander da waren, und ein Leben im Haus, so wie sie für uns da waren. Wir Kinder waren wie Hunde in einer Menschenmenge nur mit anderen Hunden oder Hundeangelegenheiten beschäftigt und bekamen von allem anderen, was über unseren Köpfen vorging, nichts mit. Wer Vater außerhalb des Hauses war, ahnte ich nur ansatzweise, denn manche Dinge sickerten sogar zu mir durch, aber einen Sinn bekam es nie. Er war immer gut gekleidet, das nahm ich wahr, aber nicht,

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