Spielen: Roman (German Edition)
vorbei, Autos kamen auf dem Heimweg von der Arbeit mit durchdrehenden Reifen die Straße herauf. Eine Stunde brauchten wir, um die Einfahrt freizuschaufeln. Als wir zum Haus gingen und dem alten Mann Bescheid sagten, bedankte er sich herzlich und schloss die Tür. Geir sah mich vorwurfsvoll an.
»Sollten wir hierfür nicht eigentlich Geld bekommen?«, fragte er.
»Do-och. Eigentlich schon. Aber es ist nicht meine Schuld, dass er uns nichts gegeben hat …«
»Haben wir das jetzt etwa alles umsonst gemacht?«
»Sieht ganz so aus«, sagte ich. »Aber das macht doch nichts. Komm, wir gehen.«
Leicht schmollend folgte er mir. Als wir auf die Straße vor unserem Haus kamen, sah ich, dass Vater in der Tür stand. Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde aussetzen. Mein Magen krampfte sich so zusammen, dass ich kaum noch Luft bekam. Seine Augen waren wutentbrannt.
»Du kommst sofort her!«, rief er, als ich die Einfahrt erreichte.
Die letzten Schritte schaute ich zu Boden.
»Sieh mich an!«, sagte er.
Ich hob den Kopf.
Er gab mir eine schallende Ohrfeige.
Ich schluchzte.
Dann packte er mich an meiner Winterjacke und presste mich gegen die Wand.
»Hast du meine Sørland-Schaufel genommen?!«, rief er. »Die ist nagelneu! Und sie gehört mir! Du lässt gefälligst die Finger von meinen Sachen! Hast du mich verstanden? Noch dazu, ohne mir Bescheid zu sagen! Ich habe gedacht, jemand hätte sie gestohlen!«
Ich weinte und schluchzte so, dass ich kaum hörte, was er sagte. Wieder packte er meine Jacke, schob mich durch die Tür und schleuderte mich gegen die Wand am Ende des Flurs.
»Das machst du nicht noch einmal! Niemals! Geh auf dein Zimmer und bleib da, bis ich es dir sage! Hast du verstanden?«
»Ja, Papa«, sagte ich.
Er knallte die Tür seines Arbeitszimmers hinter sich zu, und ich begann mich auszuziehen. Meine Hände zitterten. Ich zog die Fausthandschuhe und die Mütze aus, ich streifte die Stiefel ab, dann die gefütterte Hose, dann die Winterjacke, dann den schweren Pullover. In meinem Zimmer legte ich mich aufs Bett. In mir war alles rot. Ich weinte, und die Tränen strömten ins Kissen, aber gleichzeitig zerrte eine rasende Wut an mir, und ich wusste nicht, wie ich sie herauslassen sollte. Ich hasste ihn, und ich musste mich rächen. Ich würde mich rächen. Er würde schon sehen. Ich würde ihn vernichten. Ihn vernichten.
Dann schoss es mir plötzlich durch den Kopf: Was hätte der liebe Junge wohl getan? Was hätte ein wahrer Christ getan?
Entscheidend war doch zu vergeben.
Als ich das gedacht hatte, wurde mir innerlich ganz warm.
Ich würde ihm vergeben.
Das war ein großer Gedanke.
Das machte mich zu einem großen Menschen.
Aber nur, wenn ich alleine war. Wenn ich im selben Raum war wie er, verschlang er mich förmlich, dann blieb nur noch er übrig, und ich konnte an nichts anderes denken.
Der erste Tag, den wir alleine mit Vater verbrachten, bildete die Blaupause für alle anderen Tage des folgenden Jahres. Fertig belegte Frühstücksbrote auf dem Küchentisch, Pausenbrote im Kühlschrank, einkaufen gehen, wenn ich heimkehrte, bei ihm sitzen und Fragen beantworten, wenn er kochte, manchmal kleine Messerstiche in den Rücken, gefolgt vom unvermeidlichen Sitz gerade, Junge – manchmal musste ich dort sitzen bleiben, bis er fertig war, an anderen Tagen sagte er plötzlich, schön, du kannst jetzt gehen, als verstünde er tatsächlich, wie quälend ich diese halbe Stunde fand, in der ich ihm Gesellschaft leisten sollte –, dann aßen wir, und den restlichen Abend blieben wir alleine oben oder draußen, während er entweder zu Versammlungen fuhr oder unten saß und arbeitete. Einmal in der Woche fuhren wir nach der Schule für einen Großeinkauf zum Stoa. Abends kam er gelegentlich hoch, um mit uns fernzusehen. Dann hielten wir uns immer sehr zurück, saßen aufrecht und ohne uns zu rühren, ohne ein Wort zu sagen. Fragte er uns etwas, fielen unsere Antworten knapp aus.
Langsam wandte er sich von Yngve ab und verbrachte immer mehr Zeit mit mir, und ich wagte es nie, mich so kurz angebunden und wortkarg zu geben wie Yngve.
Das ging jedoch nicht immer gut.
Seine Schritte auf der Treppe waren immer potentiell bedrohlich. Hörte ich Musik, drehte ich sie leiser. Lag ich lesend auf dem Bett, setzte ich mich auf, um nicht so schlaff zu wirken.
Kam er zu mir?
Allerdings.
Die Tür ging auf, und er stand vor mir.
Es war acht Uhr, seit dem Essen um vier war er nicht mehr oben gewesen.
Sein
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