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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Lampen aus, um es unheimlich zu machen.«
    »Nein«, rief ich. »Tu das nicht!«
    Yngve lachte.
    »Hast du etwa jetzt schon Angst?«
    Ich stand auf und stellte mich ihm in den Weg. Er schlang die Arme um mich, hob mich hoch, setzte mich hinter sich wieder ab und ging weiter Richtung Treppe.
    »Tu das nicht!«, sagte ich. »Bitte!«
    Er lachte wieder.
    »Jetzt gehe ich nach unten und schließe die Tür ab«, sagte er auf der Treppe.
    Ich lief ihm hinterher.
    »Ich meine es ernst, Yngve«, sagte ich.
    »Das weiß ich«, erwiderte er, schloss die Tür ab und stellte sich davor. »Aber wenn wir alleine zu Hause sind, habe ich hier das Sagen.«
    Er schaltete das Licht aus.
    Im Zwielicht, nur erhellt von der Lampe im Nebenzimmer, hatte sein Lächeln etwas Dämonisches. Ich lief hoch, setzte mich in den Sessel und hörte, dass er einen Lichtschalter nach dem anderen betätigte. Der Flur, die Lampe über dem Wohnzimmertisch, die Deckenlampe in der Küche. Danach die vier Wandleuchter über der Couch und schließlich die Lampe auf dem Fernseher. Abgesehen vom schwachen Lichtschimmer der Straßenlaterne und dem flackernden, blauen Lichtschein des Fernseher, war es vollkommen dunkel, als die Folge begann. Schon die erste Szene war gruselig, ein Mann stand irgendwo und schlug mit einer Sense, dann drehte er sich um, und sein Gesicht war gar kein Gesicht, sondern eine Maske. Es kribbelte in den Finger- und Zehenspitzen, und mein Inneres krampfte sich in einem Sog aus Angst zusammen. Aber ich schaute trotzdem hin, ich musste es sehen. Als die Folge eine halbe Stunde später vorbei war, stand Yngve hinter mir auf.
    »Sag nichts«, flehte ich. »Tu nichts!«
    »Weißt du was, Karl Ove?«, fragte er.
    »Oh, nein!«, rief ich.
    »Ich bin nicht der, für den du mich hältst«, sagte er und ging auf mich zu.
    »Doch!«, sagte ich.
    »Ich bin nicht Yngve«, sagte er. »Ich bin ein anderer.«
    »Das bist du nicht!«, widersprach ich. »Du bist Yngve! Sag, dass du Yngve bist!«
    »Ich bin ein Cyborg«, erklärte er. »Und das hier …«
    Er streckte den Arm aus und zog den Pullover hoch. »Das hier ist nicht Fleisch und Blut, sondern Metall und Leitungen. Ich bin kein Mensch.«
    »Doch!«, sagte ich und weinte inzwischen. »Du bist Yngve! Yngve! Sag, dass du Yngve bist!«
    »Du wirst mich jetzt in den Keller begleiten«, sagte er. »He he he …«
    »YNGVE!«, schrie ich.
    Er sah mich grinsend an.
    »Aber ich mache doch nur Spaß«, sagte er. »Du hast ja wohl nicht im Ernst geglaubt, dass ich ein Cyborg bin?«
    »Du darfst so etwas nicht tun«, sagte ich. »Schalt sofort das Licht ein.«
    Er trat einen Schritt auf mich zu.
    »NEIN!«, rief ich.
    »Okay, okay«, sagte er lächelnd. »Dann schalten wir eben das Licht ein. Sollen wir jetzt essen? Hast du Hunger?«
    »Mach erst das Licht an«, flehte ich.
    Er machte die Wandleuchten und die Lampe auf dem Fernseher wieder an, in dem mittlerweile die Nachrichten liefen. Dann gingen wir in die Küche und aßen zu Abend. Yngve kochte uns einen Tee, was möglich war, wenn wir hinterher gründlich aufräumten, vielleicht, weil es für Vater völlig undenkbar war, dass wir in seiner Abwesenheit tatsächlich den Herd anstellten und Wasser kochten. Hinterher stellten wir unser Fußballspiel auf den Wohnzimmertisch und ließen die Tür zu Yngves Zimmer offen stehen, in dem meine Lieblingsplatte von Queen, A Night at the Opera , lief.
    Als wir Vaters Auto vor dem Haus hörten, beeilten wir uns, alles wegzuräumen, und gingen in unsere Zimmer. Manchmal rief er Yngve zu sich, wenn wir alleine zu Hause gewesen waren, und fragte ihn, was wir gemacht hätten und ob alles in Ordnung sei, aber an diesem Abend ging er geradewegs ins Wohnzimmer und setzte sich vor den Fernseher.
    Wir waren natürlich erleichtert, dass er sich so von uns fernhielt, aber nicht nur, denn ich spürte, dass er es eigentlich anders haben wollte, und es kam mir so vor, als würde die Luft im Haus schwer von diesem Gefühl, von einer Forderung, die niemand erfüllen konnte.
    Als er das nächste Mal zu uns hochkam, wurde es wüst. Ich wurde gerade krank, war erkältet und hatte Fieber bekommen, das im Laufe der letzten Stunde jäh angestiegen war, saß an die Wand gelehnt auf Yngves Bett und las in einer seiner Zeitschriften. Er machte Hausaufgaben am Schreibtisch, und auf dem Plattenspieler drehte sich ein Album der Boomtown Rats.
    Die Tür ging auf, und Vater stand vor uns und sah uns an.
    Er war gut gelaunt, seine Augen leuchteten

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