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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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durchsuchte ein weiteres Mal den Kleiderhaufen.
    Die zweite war nicht da.
    Ich schaute in den Schrank.
    Er war vollkommen leer.
    Oh nein!
    Nein, nein, nein .
    In Windeseile ging ich nochmals alle Kleider durch und schüttelte jedes Kleidungsstück in der verzweifelten Hoffnung zu sehen, wie die Socke herausfiel und sich vor mir auf den Boden legte.
    Aber sie blieb verschwunden.
    »Was ist los?«, fragte Geir. Er saß vollständig angezogen auf der Bank gegenüber und beobachtete mich.
    »Ich kann meine zweite Socke nicht finden«, antwortete ich. »Siehst du sie irgendwo?«
    Er lehnte sich vor und schaute unter die Bank.
    »Da liegt sie nicht«, meinte er.
    Oh nein!
    »Aber irgendwo muss sie doch liegen«, sagte ich. »Kannst du mir suchen helfen? Bitte!«
    Ich hörte, wie meine Stimme ein wenig zitterte, aber Geir ließ sich nichts anmerken, wenn er es überhaupt wahrgenommen hatte. Er beugte sich vor und schaute unter allen Bänken nach, während ich für den Fall, dass sie im Handtuch gesteckt und dann herausgefallen war, in Richtung Dusche ging. Dort lag sie auch nicht. Hatte ich sie vielleicht versehentlich mit den Badesachen eingepackt?
    Ich eilte zurück, leerte den Inhalt des Sportbeutels auf den Boden aus.
    Nein. Keine Socke.
    »Dahinten lag sie nicht?«, fragte ich.
    »Nein«, bestätigte Geir. »Aber wir müssen jetzt los, Karl Ove. Unser Bus fährt gleich.«
    »Ich muss erst die Socke finden.«
    »Hier ist sie aber nicht. Wir haben überall gesucht. Kannst du nicht einfach ohne gehen?«
    Ich gab ihm keine Antwort, schüttelte noch einmal alle Kleider aus, ging in die Hocke und schaute unter den Bänken nach, ging noch einmal in die Dusche.
    »Wir müssen los«, drängte Geir. Er hielt seine Uhr vor mir hoch. »Wenn ich den Bus verpasse, werden meine Eltern sauer.«
    »Kannst du weitersuchen, während ich mich anziehe?«, fragte ich.
    Er nickte, ging halbherzig in der Umkleide umher und ließ den Blick über den Boden schweifen. Ich zog T-Shirt und Pullover an.
    Vielleicht auf der oberen Ablage?
    Ich stellte mich auf die Bank und schaute in den Schrank.
    Nichts.
    Ich schlüpfte in Hose und Schneehose, zog den Reißverschluss der Jacke zu und setzte mich, um die Stiefel zuzuschnüren.
    »Du musst jetzt kommen«, sagte Geir.
    »Ich komme ja«, erwiderte ich. »Warte draußen.«
    Als er gegangen war, eilte ich wieder in die Dusche. Ich sah im Mülleimer nach, strich mit der Hand über die Fensterbänke, öffnete sogar die Tür zur Schwimmhalle.
    Nichts.
    Als ich aus dem Schwimmbad trat, stand Geir am hinteren Ende der Straße. Noch ehe ich bei ihm war, lief er schon den Hügel hinunter.
    »Jetzt warte doch auf mich!«, rief ich, aber er machte keine Anstalten stehen zu bleiben, drehte sich nicht einmal um, und so rannte ich ihm hinterher. In die Dunkelheit hinunter, an den grau gefärbten Bäumen vorbei, ins Licht der Straße unter ihnen. Bei jedem meiner Schritte rieb sich mein nackter Fuß am groben Stiefelleder. Ich habe die Socke verloren , ertönte es in meinem Inneren. Ich habe die Socke verloren. Ich habe die Socke verloren. Gleichzeitig begann es in meinem Kopf zu ticken. Das passierte manchmal, wenn ich lief, es tickte im Kopf, irgendwo hinter der linken Schläfe, tick, tick , machte es, aber obwohl dies verstörend war, da es sich anhörte, als hätte sich dort etwas gelöst, oder vielmehr, als liege dort etwas und schramme an etwas anderem vorbei, konnte ich natürlich niemandem davon erzählen, jeder hätte nur gesagt, bei mir sei wohl eine Schraube locker, und gelacht.
    Tick, tick, tick.
    Tick, tick, tick.
    Ich lief hinter Geir her, die ganze Strecke bis zu dem Laden hinunter, in dem man sich eine Tüte Süßigkeiten zusammenstellen lassen konnte; die Tüte mit Süßem, mit der wir das Geschäft wieder verließen, war der Höhepunkt unserer Ausflüge. Geir wartete ungeduldig auf der Stelle tretend vor der Tür. Ich blieb vor ihm stehen. Wegen des Schnees, den die Schneepflüge aufgetürmt hatten, standen wir einen halben Meter höher als sonst, und der neue Blickwinkel hatte zur Folge, dass sich das ganze Geschäft veränderte. Es hatte etwas von einem Keller bekommen, und dieses Kellerartige verwandelte alles, wodurch ich mit einem Blick erfasste, dass die Regale nur »Regale«, die Artikel nur »Artikel« waren, die man in einem ganz normalen Raum in einem Haus platziert hatte, kurzum, dass der Laden ein »Laden« war, ohne dass ich das innerlich so formuliert hätte, es war nur eine Ahnung,

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