Spielen: Roman (German Edition)
getan?«, sagte er.
Ich sah ihn an. Dann starrte ich den Streifen auf der Tapete an.
»Das musst du wegwischen, du Idiot«, rief ich.
»Das kann man nicht wegwischen«, erwiderte er. »Dabei würde der Fleck nur noch größer werden. Wenn Papa das sieht, wird er stinksauer.«
»Es ist nicht gesagt, dass er es sieht«, wandte ich ein.
Yngve sah mich nur vielsagend an.
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, sagte er, bückte sich und ging mit der Apfelsine in die Küche. Dem anschließenden Scharren nach zu urteilen, legte er sie ganz unten in den Mülleimer. Dann kehrte er mit einem Lappen zurück und wischte den Boden ab.
Ich zitterte so sehr am ganzen Leib, dass ich mich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte.
Der Streifen war zwar dünn, aber lang, und es erschien mir völlig undenkbar, dass er Vater entgehen würde, wenn er nach Hause kam.
Yngve spülte den Teekessel und die beiden Tassen. Warf das Brot weg, wischte die Krümel auf. Ich saß mit dem Kopf in den Händen auf einem Stuhl am Esstisch.
Yngve blieb vor mir sehen.
»Entschuldige«, sagte er. »Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.«
»Das wolltest du wohl.«
»Aber das kommt nur daher, dass du so wütend wirst«, erwiderte er. »Verstehst du nicht, wie verführerisch das ist? Na los, ich habe mich entschuldigt.«
»Darum geht es nicht«, sagte ich.
»Worum geht es dann?«
»Darum, dass ich so komisch gehe.«
»Ach, nun komm schon«, meinte er. »Jeder hat seinen eigenen Gang. Hauptsache, man kommt voran. Ich habe doch nur Spaß gemacht, kapiert? Ich wollte dich nur wütend machen. Und das ist mir gelungen. Du gehst auch nicht komischer als andere.«
»Ehrlich?«
»Ich schwöre es.«
Als Vater nach Haus kam, war ich bereits im Bett. Ich lag in der Dunkelheit und lauschte seinen Schritten. Sie hielten nicht im Flur inne, wie ich erwartet hatte, sondern bewegten sich in die Küche. Dort räumte er ein wenig und kam dann wieder heraus. Auch diesmal blieb er nicht stehen.
Er hatte es nicht entdeckt.
Wir waren gerettet.
Am nächsten Abend fuhr ich mit Geir zum Schwimmtraining. Wir nahmen den Bus von Holtet bis zum Busbahnhof in der Stadt und gingen mit unseren Beuteln auf den Schultern die Straße zum Stinta-Hallenbad hinauf. In meinem Sport beutel lagen eine dunkelblaue Arena-Schwimmhose, eine weiße Speedo-Badekappe mit der norwegischen Flagge auf der Seite, eine Speedo-Schwimmbrille, ein Stück Seife und ein Handtuch. Seit dem letzten Winter waren wir Mitglieder im Schwimmverein Arendal. Damals konnten wir kaum schwimmen, ohne Unterbrechung die Strecke vom einen Beckenrand zum anderen zurückzulegen, bedeutete schon eine riesige Kraftanstrengung für uns und erschien uns fast unmöglich, aber da dies als absolutes Minimalziel im Schwimmverein von uns erwartet wurde und der Trainer, ein Mann in Holzschuhen mit Tätowierungen auf den Armen, uns am Beckenrand begleitete und anfeuerte, verging erstaunlich wenig Zeit, bis wir es problemlos hinbekamen. Gut waren wir nicht, jedenfalls nicht, wenn man uns mit den älteren Jungen verglich, die dort gelegentlich mit ihren schlanken, langgliedrigen, aber dennoch muskulösen Körpern herumliefen und mit offenem Mund und insektenartigen Brillen durch das Becken schossen . Im Vergleich zu ihnen ähnelten wir eher Kaulquappen, dachte ich manchmal, die plantschten und kämpften und manchmal genauso weit seitlich abtrieben, wie sie vorwärtskamen. Aber auch wenn wir nach und nach besser wurden und schon bald im Laufe eines Trainings tausend Meter schwammen, machte ich nicht wegen des Erfolgs weiter, da ich wusste, dass ich niemals Wettkampfschwimmer werden würde, denn bei Rennen, wenn ich alles geben sollte, war ich nie gut genug und schaffte es nicht einmal, an Geir vorbeizuziehen – nein, mir gefielen all die anderen Dinge, die schon begannen, wenn wir in den Bus stiegen, und die sich fortsetzten, wenn wir in der Dunkelheit nach Arendal hineingingen: die abendlich leere Stadt, durch die wir schlenderten, die immer selben Geschäfte, vor denen wir auf dem Weg zum Schwimmen stehen blieben, und schließlich das Hallenbad, dieses große kommunale Gebäude mit seiner merkwürdigen Mischung aus innen und außen, durch die wir von dem Moment an geschleust wurden, in dem wir dicht in Winterkleider gehüllt in der Eingangshalle standen, bis wir uns fünfzehn Minuten später fast nackt, nur mit einem kleinen Stofffetzen bekleidet am Beckenrand befanden, nachdem wir das gesamte kleine Ritual absolviert
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