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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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sein Oberkörper war schneller, so dass er nach vorn geworfen wurde und frontal gegen den Schneewall am Straßenrand stürzte. Das Ganze war so schnell gegangen, dass ich erst lachte, als er schon im Schnee lag.
    »Hahaha!«
    Er rührte sich nicht.
    Hatte er sich ernstlich wehgetan?
    Ich ging die letzten Stufen so schnell ich konnte hinunter und blieb neben ihm stehen. Zunächst atmete er in kurzen, schluchzerähnlichen Stößen, dann schnappte er lange und hohl nach Luft.
    » Verdammt «, flüsterte er und hielt sich die Brust. » Verdammt. Verdammt. Verdammt. «
    »Ich fände es schön, wenn du nicht fluchen würdest«, bemerkte ich.
    Er warf mir einen kurzen, finsteren Blick zu.
    »Hast du dir wehgetan?«, fragte ich.
    Er rang wieder nach Luft.
    »Ist dir die Luft weggeblieben?«
    Er nickte, setzte sich auf und begann wieder normal zu atmen. Er hatte Tränen in den Augen.
    »Den Bus kriegen wir jetzt jedenfalls nicht mehr«, meinte ich.
    »Mir ist die Luft weggeblieben«, sagte er. »Ich weine nicht.«
    Als er aufstand, hielt er sich die Seite und verzog das Gesicht zu Grimassen.
    »Kannst du gehen?«, erkundigte ich mich.
    »Ja, klar«, sagte er.
    Wir sahen, wie sich unser Bus vom Eingangsbereich des Arena-Einkaufszentrums aus in Bewegung setzte, auf die Straße fuhr und um die Straßenecke verschwand. Der nächste ging erst in einer halben Stunde.
    Wir setzten uns in den Busbahnhof, auf die Bank neben dem Fotoautomaten, und aßen unsere Süßigkeiten. Es waren nur wenige Leute dort. Zwei junge Männer kauften Hamburger und Pommes Frites, während ihre Autos draußen im Leerlauf tuckerten, ein Betrunkener saß mit nach vorn gekipptem Kopf auf dem Boden und schlief, außerdem stand dort noch eine Freundin des Mädchens, das im Kiosk arbeitete.
    Geir stopfte sich einen der rotweißen Drops in den Mund.
    »Nach welcher Farbe schmeckt er?«, fragte ich.
    Er sah mich fragend an.
    »Rot und weiß natürlich!«, antwortete er. »Es war doch ein roter und weißer Drops.«
    »Das heißt aber noch lange nicht, dass er auch so schmeckt«, entgegnete ich. »Stell dir vor, ich esse ihn und er schmeckt zum Beispiel grün?«
    »Wovon redest du da eigentlich?«, fragte er.
    »Stell dir beispielsweise vor, er würde nach Marmelade schmecken«, sagte ich.
    »Marmelade?«
    »Begreifst du nicht?«, fragte ich zurück. »Wir können nicht wissen, ob sie gleich schmecken!«
    Aber das verstand er nicht. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich es selbst verstand. Aber einmal hatten Dag Lothar und ich uns jeder eine schwarze Lakritzmutter in den Mund gesteckt, uns angesehen und gleichzeitig gesagt, die schmeckt ja grün ! Und später in dem Herbst hatten wir Besuch gehabt, Großmutter, Großvater, Gunnar, Großvaters Bruder Alf und seine Frau Sølvi waren bei uns gewesen, wir hatten Garnelen, Krabben und einen Hummer gegessen, der Vater zufällig nur ein paar Tage zuvor ins Netz gegangen war, und während wir aßen, sah Sølvi Vater an und sagte:
    »Kaum zu glauben, dass du diesen Hummer selbst gefangen hast. Er hat vorzüglich geschmeckt.«
    »Er war wirklich vorzüglich«, stimmte Großmutter ihr zu.
    »Es gibt nichts Köstlicheres als Hummer«, erklärte Vater, »aber wir können natürlich nicht wissen, ob er jedem von uns gleich schmeckt.«
    Sølvi sah ihn an.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß, wonach er bei mir schmeckt«, erläuterte Vater. »Aber ich habe keine Ahnung, wonach er bei dir schmeckt.«
    »Nach Hummer natürlich!«, rief Sølvi.
    Alle lachten.
    Ich begriff nicht, worüber sie lachten. Sie hatte doch recht. Trotzdem lachte ich auch.
    »Aber woher willst du wissen, dass ein Hummer mir genauso schmeckt wie dir?«, fragte Vater. »Soweit du weißt, könnte ich ja auch finden, dass er nach Marmelade schmeckt.«
    Sølvi wollte etwas erwidern, hielt jedoch inne, blickte auf den Hummer und anschließend zu Vater hinüber und schüttelte den Kopf.
    »Das ist mir zu hoch«, sagte sie. »Der Hummer liegt doch vor mir. Und er schmeckt nach Hummer . Und nicht nach Marmelade!«
    Die anderen lachten wieder. Ich erkannte, dass Vater recht hatte, begriff aber nicht ganz, wieso. Ich grübelte lange darüber nach und hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass ich es jeden Moment verstehen würde, aber wenn ich kurz davor zu sein schien, entglitt mir die Lösung jedes Mal wieder. Der Gedanke war eine Spur zu groß für mich.
    Aber für Geir war er noch größer, dachte ich und schaute zur Tür, die in diesem Moment geöffnet wurde. Es war

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