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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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da. Obwohl ich wusste, in welche Klasse sie ging, und obwohl zwei Jungen, die mit ihr in eine Klasse gingen, in meiner Fußballmannschaft waren, konnte ich die beiden nicht nach ihr fragen, denn dann würden sie augenblicklich verstehen, was mit mir los war, und mit Sicherheit nicht zögern, es anderen zu erzählen. Aber früher oder später würde ich sie wiedersehen, das wusste ich, denn die Insel war nicht sonderlich groß.
    Vater zog zwei Wochen später nach Hause zurück und war stolz, innerhalb einiger Monate seinen Diplomabschluss gemacht zu haben. Die Briefmarkensammlung hatte er verkauft, seine politischen Ämter hatte er niedergelegt, der Garten war perfekt, seinen Unterricht als Gesamtschullehrer beherrschte er im Schlaf und zunehmend gelangweilt. Deshalb suchte er eine neue Stelle. Und wenn er eine neue Stelle bekam, würden wir umziehen. Das kommende Schuljahr würde hoffentlich sein letztes an einer gewöhnlichen Gesamtschule sein.
    Anfang des Sommers kaufte er sich ein Boot, ein Rana Fisk 17 mit einem 25-PS-Yamaha-Außenbordmotor. Mutter, Yngve und ich standen auf dem Steg, als er zum ersten Mal von Arendal kommend über den Sund fuhr. Er stand in dem Boot, dessen Bug aus dem Wasser ragte, am Steuer, und obwohl er nicht lächelte oder uns zuwinkte, sah ich, dass er stolz war.
    Er drosselte den Motor, und das Boot sank ins Wasser zurück, wurde aber nicht langsam genug, um ihm zu erlauben, es so in einem Bogen zur Anlegestelle zu lenken, wie er es vorgehabt hatte, das Boot trieb zu weit und stieß gegen den Ponton. Er setzte zurück, gab noch einmal Gas und trieb heran. Er warf Mutter das Seil zum Vertäuen zu, die jedoch nicht recht wusste, was sie damit anfangen sollte.
    »Fährt es gut?«, fragte ich.
    »Oh ja, allerdings«, antwortete er. »Das hast du ja wohl gesehen.«
    Er stieg mit dem roten Benzinkanister in der Hand an Land. Befestigte das Verdeck, blieb einen Augenblick stehen und musterte das Boot, ehe wir uns ins Auto setzten und nach Hause fuhren, Vater am Steuer, obwohl es Mutters Wagen war.
    Als das Schuljahr begann, musste ich ihn nachmittags begleiten, um Netze auszuwerfen, und morgens in aller Herrgottsfrüh aufstehen, um sie wieder einzuholen. Wir schoben uns mit vor Müdigkeit mürrischen Gesichtern ein paar Brote in den Mund und traten anschließend in die Dunkelheit hinaus. Er ließ den Wagen an und fuhr zu den Anlegern hinunter, die still und verwaist dalagen, knöpfte das grüne Verdeck vom Boot ab, stellte den roten Benzinkanister an seinen Platz, löste die Vertäuung, ließ den Motor an und entfernte sich vorsichtig rückwärts vom Steg. Ich saß vor ihm, aber hinter dem Windschutz, vorgebeugt, die Arme dicht an den Körper angelegt und die Hände in den Taschen, denn es war kalt, und obwohl dieses Boot schneller war als das alte Ruderboot, dauerte die Fahrt bis zur Seeseite der Insel immer noch über eine halbe Stunde. Vater stand, hielt das Lenkrad mit beiden Händen und steuerte konzentriert durch die schmale Fahrrinne zwischen dem Festland und Gjerstadholmen, in der eine Unterwasserschäre lag, auf die er im Sommer einmal aufgelaufen war. Als wir in den Sund hinauskamen, setzte er sich, und wir fuhren hinaus, die Wellen schugen gegen die Unterseitedes Kunststoffrumpfs, und ihre Gischt spritzte hoch. Die Netze legte er meistens ziemlich nah am Ufer aus, und meine Aufgabe bestand darin, im Bug zu stehen und die Netzbojen zu packen, an denen sie befestigt waren. Das war schwierig, denn sie waren glatt, und wenn es mir beim ersten Versuch nicht gelang, rief Vater, dass ich mich gefälligst konzentrieren solle, ich bräuchte sie doch nur herauszuziehen. Meine Hände waren schon ganz kalt, denn das Wasser war natürlich eisig, und hier draußen, wo das Meer offen vor uns lag, war es um diese Uhrzeit immer windig. Vaters Haare wa ren wüst zerzaust, und seine Augen funkelten gereizt, wenn er zurücksetzte und zur Netzboje zurückfuhr, und wenn ich sie dann nicht erwischte, schimpfte er mit mir, und ich begann zu weinen, und er wurde nur noch wütender. Manchmal stiefelte er dann nach vorne, um sie selbst herauszuholen, während er mich ans Lenkrad kommandierte, steuere auf die verdammte Boje zu, sagt er dann, auf die Boje zu , sage ich, du Idiot! Kannst du denn gar nichts? Es ist gar nicht so leicht zu steuern, erwiderte ich, und er, das heißt nicht steuen , das heißt steuern ! Mit R. STEUERN! Ich weinte und fror, und Vater beugte sich über den Bootsrand und zerrte die Boje an

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