Spielen: Roman (German Edition)
Bord. Wenn wir dort auf den Wellen schaukelten und das Licht der Morgendämmerung wie ein Streifen am Horizont lag und er das Netz herauszog, während die Glut seines Zorns nach und nach aus seinen Augen verschwand, versuchte er manchmal, seinen Wutanfall abzumildern, aber dafür war es zu spät, die Kälte steckte ebenso tief in meiner Seele wie in den Händen, und ich hasste ihn, wie man nur seinen eigenen Vater hassen kann, und auf dem Rückweg, wenn die Fische in dem weißen Bottich noch zappelten, wurde zwischen uns niemals ein Wort gewechselt. Während er die Fische in der Waschküche ausnahm, packte ich meinen Ranzen und brach zu einem Tag auf, der für meine Klassenkameraden gerade erst, für mich jedoch schon Stunden zuvor begonnen hatte.
In diesem Herbst verwirklichten wir endlich unseren Traum von einer Band. Mein Name machte das Rennen, so dass wir Blutgerinnsel auf unsere Jacken und Ranzen schrieben und im Keller des neuen Gemeindezentrums probten, was Dag Magne organisiert hatte, denn seine Mutter putzte bei einem Arzt, der auch im Kirchenvorstand saß. Er war darüber hinaus der Einzige von uns, der spielen konnte und etwas vorzuweisen hatte, was an Musikalität erinnerte. Er spielte Gitarre und sang, ich spielte Gitarre, Kent Arne Bass, den seine Mutter ihm gekauft hatte, Dag Lothar Schlagzeug. Auf der gemeinsamen Feier am letzten Schultag vor Weihnachten sollten wir in der Turnhalle spielen. Yngve hatte mir die Griffe von Verliebt in die Lehrerin beigebracht, dem großen Hit von The Kids, und obwohl wir zu Kreuze krochen, wenn wir ausgerechnet diesen Song spielten, zumindest ich, war es das simpelste Lied, das Yngve kannte, und wahrscheinlich das einzige Lied, das irgendwer von uns kannte und das so einfach war, dass wir in der Lage sein würden, es zu spielen. Obwohl die Band während des Stücks in ihre Einzelteile zerfiel, da jeder in seinem eigenen Rhythmus spielte und Kent Arne mitten im Stück anfing, seinen Bass zu stimmen, und obwohl die meisten hinterher unseren Auftritt kritisierten, sogar ein paar Schüler aus den vierten Klassen rissen das Maul auf, und das völlig zu Recht, denn wir konnten ja wirklich nicht spielen, war das Gefühl hinterher, als wir in löchrigen Jeans, Jeansjacken und mit Tüchern um den Hals auf dem Schulhof standen, durch nichts zu übertreffen. Wir gingen in die sechste Klasse, würden bald Schüler in der Gesamtschule sein und spielten in einer Band . Dass wir uns kurz danach auflösten, weil weder Dag Lothar noch Kent Arne weitermachen wollten, war ein Rückschlag, aber Dag Magne und ich spielten bis auf Weiteres als Duo weiter, nahmen in seinem Zimmer Lieder auf, hörten Musik und träumten von einem Durchbruch, zum Beispiel bei dem Nachwuchsfestival, das im Sommer in der Stadt stattfinden sollte und bei dem neue Bands auftreten durften. Ich ging zu Håvard, der in der einzigen Punkband der Stadt spielte, direkt an der Brücke wohnte und fünf Jahre älter war als wir, und fragte ihn, ob er uns zu einem Auftritt verhelfen könne. Er könne nichts versprechen, werde es aber irgendwem gegenüber erwähnen, dann würden wir weitersehen.
Bei einer Schulveranstaltung mit den Eltern in jenem Frühjahr spielten wir zwei Lieder, Dag Magne an der Gitarre, ich an der kleinen Trommel, erst eins, zu dem ich den Text geschrieben hatte, Trampele auf einem Schnösel , und dann Åge Aleksandersens Pack . Bevor wir anfingen, hielt ich für die Eltern einen Einführungsvortrag zum Thema Punk.
»In der englischen Arbeiterklasse hat sich in den letzten Jahren ein völlig neuer Musikstil entwickelt«, begann ich. »Einige von Ihnen haben vielleicht schon von ihm gehört. Man nennt ihn Punk. Wer Punk spielt, ist kein guter Musiker, sondern ein Rebell, der sich gegen die Gesellschaft auflehnen möchte. Punks tragen Lederjacken und Nietengürtel und haben überall Sicherheitsnadeln. Die Sicherheitsnadel ist fast so etwas wie ihr Symbol geworden.«
Begeistert ließ ich den Blick über die Versammlung aus Friseusen, Sekretärinnen, Krankenschwestern, Putzhilfen und Hausfrauen schweifen. Ich war zwölf Jahre alt, und vor den Weihnachts- und Sommerferien hatten sie mich in den letzten fünf Jahren immer auf der Bühne gesehen, zum Beispiel in der Rolle eines Bürgermeisters oder als Josef in Betlehem, und nun stand ich wieder dort oben, diesmal jedoch als Wortführer des Punks und Mitglied der Gruppe Blutgerinnsel.
»Wir werden Ihnen nun eine kleine Kostprobe dieses Musikstils
Weitere Kostenlose Bücher