Spielen: Roman (German Edition)
präsentieren. Wir beginnen mit einem Lied, das wir selbst geschrieben haben. Es heißt Trampele auf einem Schnösel.
Daraufhin begann Dag Magne, der die ganze Zeit mit der Zwölfsaitigen über der Schulter neben mir gestanden hatte, zu spielen, während ich willkürlich auf die Trommel einschlug und sang.
Den nächsten Auftritt hatten wir in unserer Klasse, wo wir die gleichen zwei Lieder spielten. Als wir fertig waren, pfiffen die meisten, und unser Klassenlehrer, der rotbärtige Finsådal, ging zu Dag Magne und meinte, mittlerweile spiele er schon richtig gut.
Das tat weh.
Als Reaktion darauf verfasste ich unter größter Geheimhaltung einen Brief an den Norwegischen Rundfunk, der damals ein Programm ausstrahlte, in dem Kinder zusammen mit ihren Vorbildern auftreten durften, und schrieb, dass ich gerne mit Åge Aleksandersen Pack spielen würde.
Lange zehrte ich von diesem Traum, aber es kam nie eine Antwort, und mit der Zeit schwand meine Hoffnung, über Nacht zum Popstar zu werden, während gleichzeitig eine andere auftauchte, denn unser Trainer Øivind scharte uns nach dem Training um sich und erzählte, dass wir eventuell vor der Begegnung Start gegen Mjøndalen das Vorspiel bestreiten dürften. Für mich, der ich im Vorjahr beim Ligafinale im Stadion Kristiansand dabei gewesen war, als Start sich in letzter Sekunde die Meisterschaft gesichert hatte, und mit Hunderten anderer den Platz gestürmt hatte, unter dem Umkleidegebäude gestanden und gejubelt und die Spieler gefeiert hatte und sogar Svein Mathisens Trikot in die Hände bekommen hatte, das mir allerdings Sekunden später von einem erwachsenen Mann mit Schweinsaugen aus den Fingern gerissen worden war, für mich, der jahrelang jeden zweiten Sonntag bei allen Heimspielen gewesen war und dessen Onkel Gunnar Svein Mathisen tatsächlich ein wenig kannte, gut genug jedenfalls, um Yngve ein Autogramm von ihm schenken zu können, für mich war die Aussicht, im Stadion von Kristiansand zu spielen und die Möglichkeit zu erhalten, nicht nur vom ganzen großen Publikum gesehen zu werden, sondern vielleicht sogar von den Spielern selbst, von ungeheurer Bedeutung. Die Mannschaft, in der ich spielte, gehörte zu den besten unserer Region, wir gewannen die meisten Partien überlegen und hatten jede Spielzeit, in der ich aktiv gewesen war, als Tabellenführer abgeschlossen, und dass ich einer der Schlechtesten in der Mannschaft war, schwerfällig und technisch nicht sonderlich gut, betrachtete ich stets als etwas Vorübergehendes, denn eigentlich war ich gut, eigentlich konnte ich alles, was ich tun sollte, genauso gut wie die anderen, es war nur eine Frage der Zeit, bis sich das zeigen würde. So war es, weil ich in Gedanken sowohl aus allen möglichen wie unmöglichen Positionen Tore schießen konnte wie John, als auch auf dem Flügel an jedem vorbeistürmen konnte wie Hans Christian. Es kam nur noch darauf an, Denken und Handeln ineinanderfließen, sie eins werden zu lassen, dann würde ich es geschafft haben. Warum sollte das nicht ebenso gut während eines Vorspiels im Stadion wie bei einem Training in Hove passieren können? War es denn nicht so, dass ich während einiger Wochen im Herbst immer besser wurde? Plötzlich tatsächlich an einem Gegenspieler nach dem anderen vorbeistürmen konnte ?
Doch, so war es. Es war alles reine Kopfsache. Und obwohl ich noch nichts von all dem gezeigt hatte, was ich hoffentlich in Zukunft beherrschen würde, hatte ich seltsamerweise immer noch einen Platz als Stammspieler im Mittelfeld. Anfang des Frühjahrs hatten wir unser erstes Trainingsspiel auf dem Aschenplatz neben der neuen Tromøy-Halle oberhalb der Gesamtschule Roligheden bestritten, und als man mich Mitte der zweiten Halbzeit auswechselte, hatten Tränen in meinen Augen gestanden, als ich den Platz verließ. Obwohl ich den Blick senkte, entging dies meinem Trainer nicht, und er lief mir hinterher, als ich den Weg zur Kabine einschlug. Ich hätte bleiben sollen, um mir das restliche Spiel anzusehen, war aber zum einen so enttäuscht über meine Auswechslung, dass ich es nicht ertrug, wollte zum anderen aber natürlich auch nicht, dass jemand meine Tränen sah.
»Was ist los, Karl Ove?«, erkundigte er sich.
»Nichts«, antwortete ich.
»Geht es darum, dass du ausgewechselt worden bist? Weißt du, jeder muss mal eine Chance bekommen. Das heißt aber nicht, dass du nicht mehr zur Stammelf gehörst. Ganz und gar nicht. Ich habe dich nur heute herausgenommen. Es
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