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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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ist ein Trainingsspiel.«
    Ich lächelte unter Tränen.
    »Das macht nichts«, sagte ich. »Das ist völlig in Ordnung.«
    »Sicher?«
    »Ja«, antwortete ich und spürte erneut Tränen in mir aufsteigen.
    »Na also«, sagte er.
    Danach grübelte ich darüber nach, ob ich vielleicht nur spielen durfte, weil ich ihm leidtat oder weil er eine ähnliche Situation nicht noch einmal erleben wollte. Das war kein guter Gedanke, aber gleichzeitig war es wichtiger, dass ich trotz meiner vielen Schwächen in der Mannschaft war.
    Wir trainierten und absolvierten unsere Heimspiele auf dem Platz Kjenna, der unterhalb der großen Siedlung in Brattekleiv lag, und die meisten, mit denen ich zusammenspielte, waren in dieser Gegend zu Hause.
    Dort sah ich sie eines Tages wieder.
    Anfang Juni, der Himmel blau und wolkenlos. Wir spielten zwischen Kegeln, die in der Mitte der einen Spielfeldhälfte aufgestellt waren, denn im Strafraum und rund um den Anstoßkreis war das Gras schon niedergetrampelt und der Untergrund holprig, und obwohl die Sonne tief stand und die Schatten der Bäume sich bis auf den Platz streckten, war es so heiß, dass mir der Schweiß in Stirn und Nacken lief, als wir auf und ab liefen und dem Ball hinterherjagten. In den Bäumen, die beide Längsseiten des Platzes säumten, sangen Vögel, Möwen schrien, vereinzelt fuhren dumpf röhrend Autos vorbei, irgendwo in der Ferne wurde das Dröhnen eines Rasenmähers lauter und leiser, und unten an den provisorischen Umkleidebaracken ertönte Geschrei und Gelächter, eine Gruppe von Kindern badete im warmen braunen Wasser des Tjenna, während wir hechelten und schnauften und den Ball mit kleinen leisen und dumpfen Tritten zwischen uns hin und her passten. Ich war in dieser Spielzeit in der besten Mannschaft, die anderen waren ein Jahr älter als ich, während ich auf Grund meines Geburtsdatums im nächsten Jahr wie schon im Vorjahr mit denen zusammenspielen würde, die ein Jahr jünger waren als ich. Wir waren mit großem Vorsprung Tabellenführer, und einen Monat später würden wir wieder zum Norway Cup fahren und hoffen, alle Runden zu überstehen und schließlich im Ullevaal-Stadion das Finale bestreiten zu dürfen. Ich trug weiße Umbro-Shorts und ein Paar Le-Coq-Sportif-Schuhe, die ich nach jedem Training einfettete und ab und zu noch immer mit riesiger, pulsierender Freude in den Händen drehte und betrachtete.
    An diesem Abend sprangen an der einen Stirnseite des Platzes vier Mädchen von ihren Fahrrädern, stellten sie ab und gingen zu dem Felsen auf der Längsseite, auf den sie sich setzten und uns plaudernd und lachend zusahen. Es kam gelegentlich vor, dass Mädchen vorbeischauten und uns zuguckten, aber diese vier hatte ich dort noch nie gesehen. Denn das war sie, Irrtum ausgeschlossen. Diesmal trug sie eine blaue Jeans und ein weißes T-Shirt.
    Während des restlichen Trainings war mir ihre Gegenwart in jeder Sekunde bewusst. Alles, was ich tat, tat ich für sie. Als wir fertig waren, unsere Dehnübungen absolviert hatten und uns gegenseitig die XL I- Sportgetränkflaschen zuwarfen, setzte ich mich mit Lars und Hans Christian direkt unter ihnen ins Gras. Die beiden riefen ein paar Beleidigungen zu den Mädchen hoch, die mit Lachen und neuen Beleidigungen quittiert wurden.
    »Ihr kennt sie?«, fragte ich so zurückhaltend wie möglich.
    »Ja«, antwortete Lars desinteressiert.
    »Gehen sie in eure Klasse?«
    »Ja. Kajsa und Sunnva gehen in meine. Die beiden anderen gehen in HCs Klasse.«
    Dann hieß sie also entweder Kajsa oder Sunnva.
    Die Hände ins Gras gestemmt, lehnte ich mich zurück und blinzelte in die Strahlen der orangen Sonne. Einer der anderen tauchte seinen ganzen Kopf in den Wasserbottich an der Seitenlinie. Er richtete sich auf und warf den Kopf nach hinten. Wassertropfen bildeten für einen kurzen Moment einen glänzenden Bogen in der Luft, ehe sie verschwanden. Mit den Fingern als Rechen durchpflügte er mit beiden Händen seine nassen Haare.
    »Die eine habe ich schon einmal gesehen«, sagte ich. »Die ganz rechts. Wie heißt sie?«
    »Kajsa?«
    »Ja, ist sie das?«
    Lars sah mich an. Er hatte lockige Haare, Sommersprossen und ein etwas freches Gesicht, aber seine Augen waren voller Wärme und leuchteten immer.
    »Wir sind Nachbarn«, sagte er. »Ich kenne sie, seit ich laufen kann. Du interessierst dich für sie?«
    »Ne-ein«, erwiderte ich.
    Lars stach mir mit einem steifen Finger mehrmals in die Brust.
    »Oh doch«, widersprach er

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