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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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denke schon«, antwortete ich.
    Sie lächelte und strich mir über den Kopf, stand auf und begann den Tisch abzudecken. Ich ging in mein Zimmer. Da es der erste Schultag war, begann die Schule erst um zehn. Trotzdem gerieten wir am Ende in Zeitnot, was Mutter häufig passierte, denn wenn es um solche Dinge ging, war sie ausgesprochen zerstreut. Von meinem Fenster aus sah ich den Trubel vor den Häusern, in denen Kinder wohnten, die eingeschult werden sollten, also bei den Familien von Geir, Leif Tore, Trond, Geir Håkon und Marianne. Haare wurden gekämmt, Kleider und Hemden zurechtgezupft, Fotos geknipst. Als ich selbst draußen stand und Mutter anlächelte und dabei eine Hand zum Schutz vor der Sonne hob, die inzwischen ein gutes Stück über die Fichtenwipfel gestiegen war, waren alle anderen schon gefahren. Wir waren die Letzten und plötzlich spät dran, erklärte Mutter, die sich zur Feier des Tages frei genommen hatte. Sie trieb mich zur Eile an, und ich öffnete die Tür des grünen VWs, klappte den Sitz nach vorn und setzte mich auf die Rückbank, während sie den Schlüssel aus ihrer Handtasche kramte und ihn ins Zündschloss steckte. Sie zündete sich eine Zigarette an, setzte nach einem kurzen Schulterblick zurück, legte den Gang ein und fuhr die Straße hinunter. Das fast schmetternde Motorengeräusch schlug gegen die Backsteinwand. Ich rückte in die Mitte, damit ich zwischen den beiden Vordersitzen hindurchsehen konnte. Die beiden weißen Tanks auf der anderen Seite des Sunds, der wilde Kirschbaum, Kristens rotes Haus, dann die Straße zum Bootshafen hinunter, die wir äußerst selten nahmen, wir fuhren die Strecke, an der mir in den folgenden sechs Jahren jede kleinste Lichtung und jede Feldmauer vertraut werden sollte, bis zu den kleinen Orten an der Ostseite der Insel, wo Mutter sich nicht auskannte, was sie ein wenig stresste.
    »Ging es da hinunter, Karl Ove, erinnerst du dich?«, fragte sie mich, drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und sah gleichzeitig in den Rückspiegel.
    »Das weiß ich nicht mehr«, antwortete ich. »Aber ich denke schon. Es war jedenfalls auf der linken Seite.«
    Dort unten gab es einen Laden an einer Anlegestelle, um geben von einer Handvoll Häuser, aber keine Schule. Im Schatten der Gebäude war das Meer tiefblau, fast schwarz, in seiner von der Wärme unangetasteten Fülle, die sich von fast allen anderen Farben in der Landschaft unterschied, die nach der wochenlangen Hitzewelle ausgeblichen waren, von diesen Farben setzte sich der kühle, blaue Ton der Meeresfläche ab.
    Jetzt fuhr Mutter einen Kiesweg hinab. Hinter uns wirbelte Staub auf. Als er immer schmaler wurde und an ihm nichts Wesentliches mehr zu passieren schien, wendete sie und fuhr zurück. Auf der anderen Seite, am Wasser entlang, verlief eine weitere Straße, die sie als Nächstes ausprobierte, aber auch sie endete an keiner Schule.
    »Kommen wir zu spät?«, fragte ich.
    »Könnte sein«, antwortete sie. »Dass ich aber auch keine Karte mitgenommen habe!«
    »Bist du denn noch nie da gewesen?«, sagte ich.
    »Doch«, meinte sie. »Aber weißt du, mein Gedächtnis ist leider nicht so gut wie deins.«
    Wir fuhren den Anstieg hinauf, den wir zehn Minuten zuvor hinuntergefahren waren, und bogen an einer Kapelle auf die Hauptstraße. Bei jedem Schild und jeder Kreuzung bremste sie ab und lehnte sich vor.
    »Da ist es, Mama!«, rief ich und zeigte. Wir konnten sie zwar noch nicht sehen, aber ich erinnerte mich an die Grasfläche auf der rechten Seite; auf der Kuppe des sanften Anstiegs dahinter lag die Schule. Eine schmale, nicht asphaltierte Straße führte an ihr vorbei, an der zahlreiche Autos parkten, und als Mutter in sie einbog, sah ich flüchtig, dass der Schulhof voller Menschen war und auf der kleinen Erhebung unter dem Fahnenmast ein gestikulierender Mann stand, den alle ansahen.
    »Wir müssen uns beeilen!«, sagte ich. »Sie haben schon angefangen! Mama, sie haben angefangen!«
    »Ja, ich weiß«, erwiderte Mutter. »Aber erst müssen wir einen Parkplatz finden. Da vielleicht. Ja.«
    Wir waren ganz hinten an der kombinierten Werkunterrichts- und Turnhalle gelandet, einem großen, weißen Gebäude aus früheren Zeiten, und davor, auf einem asphaltierten Platz, stellte Mutter das Auto ab. Wir kannten uns wirklich nicht aus, denn statt weiter geradeaus zu gehen und die Abkürzung über den Fußballplatz zu nehmen, folgten wir der Straße auf der anderen Seite zum Schulhof hinauf. Mutter lief

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