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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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brauche eine Flasche Wasser.«
    »Willst du nicht lieber Saft mitnehmen? Ich hätte nichts dagegen. Immerhin ist heute dein erster Schultag!«
    Ich zögerte. Es musste Wasser sein, aber das würde sie misstrauisch machen können, weil mir sonst Saft immer lieber war als Wasser. Dann sah ich sie an und sagte:
    »Nein, lieber nicht. Geir hat Wasser dabei, dann will ich auch Wasser haben.«
    Als ich das sagte, schlug mein Herz schneller.
    »Wie du willst«, meinte sie. Sie suchte eine leere Saftflasche aus dunkelgrünem, fast undurchsichtigem Glas aus dem Unterschrank der Spüle heraus, die sie mit Wasser füllte, zuschraubte und mir reichte.
    »Möchtest du auch Brote?«
    Ich überlegte.
    »Nein«, antwortete ich. »Oder doch. Zwei mit Leberwurst.«
    Während sie die Brotscheiben auf den Tisch legte und bestrich, stieß ich das Fenster etwas weiter auf und steckte den Kopf hinaus.
    »Ich komme gleich!«, rief ich. Geir blickte mit ernsten Augen zu mir hoch und nickte.
    Als sie die Brote bestrichen und in Butterbrotpapier eingeschlagen hatte, legte ich sie mit den Flaschen in eine Plastiktüte und eilte wieder zu ihm. Kurz darauf waren wir auf dem Weg die Straße hinauf. Die Hitze hatte den Straßenrand weich werden lassen, so dass er sich zerkrümeln ließ. Wo die Autos fuhren, war der Straßenbelag härter. Manchmal legten wir uns wie Katzen auf den Asphalt und ließen uns von seiner Wärme regelrecht braten, aber jetzt hatten wir andere Pläne.
    »Darf ich sie mal sehen?«, fragte ich.
    Geir blieb stehen und zog die Streichholzschachtel aus der Tasche. Ich nahm sie und schüttelte sie ein wenig. Ganz voll. Dann öffnete ich sie. Die Köpfe aller Hölzer waren rot.
    Zündeln, zündeln.
    »Die ist ja ganz neu«, sagte ich und gab sie ihm zurück. »Merkt denn keiner, dass du sie dir genommen hast?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete er. »Und wenn sie es merken, leugne ich einfach. Sie können es nicht beweisen .«
    Wir waren zum Haus der Moldens hinaufgekommen und bogen in den Waldweg. Das Gras war trocken und gelb, an manchen Stellen braun. Bei Geir zu Hause war die Mutter streng und der Vater nett. Bei Dag Lothar waren sie beide nett, der Vater war allerdings vielleicht ein kleines bisschen strenger. Bei den anderen war der Vater streng und die Mutter nett. Aber keiner war so streng wie Vater, so viel stand fest.
    Geir blieb stehen und beugte sich mit der Streichholzschachtel in der Hand vor. Zog eins heraus und wollte es an der Seite anreißen.
    »Was tust du denn da!«, rief ich. »Hier doch nicht! Hier kann uns doch jeder sehen!«
    »Ach was«, schnaubte er, richtete sich aber trotzdem auf, steckte das Streichholz in die Schachtel zurück und ging weiter.
    Auf der Bergkuppe drehten wir uns um und ließen wie üblich den Blick schweifen. Ich zählte vier kleine, weiße Dreiecke im Sund. Ein größeres Schiff mit etwas, was ein Bagger zu sein schien, an Deck. Neben Gjerstadholmen lagen zwei kleinere Boote vertäut.
    Zündeln, zündeln.
    Als wir in den Wald gingen, bebte ich innerlich vor Erregung. Zwischen den Schatten der Äste lagen die Sonnenstrahlen wie kleine, zitternde Tiere aus Licht auf dem Waldboden. Wir blieben hinter der großen Wurzel des umgestürzten Baumes stehen, und ich zog die Wasserflasche aus der Tüte und hielt sie bereit, während Geir sich vorbeugte, ein Streichholz anriss und die kleine, fast unsichtbare Flamme an einen der strohigen Grashalme hielt, die dort wuchsen. Er fing augenblicklich Feuer, und die Flamme sprang auf die Halme daneben über. Als sie die Breite einer erwachsenen Hand erreicht hatte, spritzte ich Wasser darauf. Ein kleiner Striemen Rauch hing in der Luft, ganz für sich, unabhängig von dem, was gerade geschehen war.
    »Meinst du, das hat jemand gesehen?«, fragte Geir.
    »Rauch kann man noch aus unglaublich großer Entfernung sehen«, antwortete ich. »Die Indianer haben ihre Rauchzeichen aus vielen Meilen Entfernung gesehen.«
    »Es hat schnell gebrannt«, meinte Geir. »Hast du gesehen?«
    Er grinste, strich sich hastig durchs Haar.
    »Ja«, sagte ich.
    »Sollen wir es woanders probieren?«
    »Ja. Aber jetzt will ich anzünden.«
    »Okay«, sagte er, reichte mir die Streichholzschachtel und sah sich gleichzeitig nach einer neuen geeigneten Stelle um.
    Wenn Geir unmittelbar vor einem besonderen Ereignis stand, war er immer ungeduldig, und wenn er mitten im Ge schehen steckte, gab es nichts anderes mehr für ihn. Von den Kindern, die ich kannte, war er am stärksten in

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