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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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mitkommen?«
    »Nein, diesmal nicht, wir fahren nicht nach Hause. Wir fahren in die Stadt. Ein anderes Mal, Karl Ove!«
    »Okay«, sagte Geir. Er wandte sich zu mir um und flüsterte auf seine dramatische Art: »Iss ja nichts von den Süßigkeiten!«
    Ich schüttelte den Kopf und rührte mich nicht von der Stelle, bis Geir sich in den Wagen gesetzt hatte und der Käfer losfuhr. Dann lief ich zum Bordstein, sprang über ihn, lief die Böschung hinunter und auf den Spielplatz, am Autowrack vorbei, über das Fußballfeld, durch den Wald und am Sumpf entlang. Kurz bevor ich ins Blickfeld unseres Hauses kam, blieb ich stehen und verteilte die Süßigkeiten, die bis dahin in einer Tüte gelegen hatten, auf meine vier Jackentaschen. Dann warf ich die Tüte weg, lief auf die Straße, bis zur Giebelseite des Hauses, wo im Wohnzimmerfenster Licht brannte, und die Einfahrt hinauf, in der Vaters Auto und an der Wand, an seinem angestammten Platz, Yngves Fahrrad standen.
    Das kleine Metallteil, das den Lenker hielt, glänzte ganz anders und viel strahlender als das Metall, das es umgab. Sollte das Vater tatsächlich nicht auffallen?
    Ich öffnete die Tür und betrat das Haus. Wenn Vater mich ertappte, würde ich die Jacke einfach wie immer aufhängen. Blieb er dagegen in seinem Arbeitszimmer oder im Wohnzimmer, würde ich mit der Jacke hochgehen, die Süßigkeiten in meinem Zimmer verstecken und mit der geleerten Jacke wieder hinuntergehen. Wenn er mich dann erwischte und fragte, warum ich im Haus in der Jacke herumlief, würde ich sagen, ich hätte so dringend auf die Toilette gemusst, dass ich sie nicht vorher ausziehen konnte.
    Es herrschte Stille im Haus.
    Nein, da. Er war im Wohnzimmer.
    Vorsichtig zog ich die Schuhe aus und ging durch den Flur, die Treppe hinauf und ins Bad. Ich öffnete den Hosenstall, zerrte den kleinen Schwanz heraus und pinkelte. Zog an der Schnur, wusch mir die Hände mit kaltem Wasser, trocknete sie ab und wartete, bis das Rauschen aufhörte, ehe ich die Tür öffnete. Anschließend warf ich einen kurzen Blick in Richtung Wohnzimmer, nichts, ging in mein Zimmer, zog die Bettdecke zur Seite, leerte meine Jackentaschen aus, zog die Decke darüber und trat wieder in den Flur.
    »Bist du das, Karl Ove?«, fragte Vater aus dem Wohnzimmer.
    »Ja«, antwortete ich.
    Er kam heraus.
    »Wo bist du gewesen?«
    »Ich war mit Geir in Gamle Tybakken«, sagte ich.
    »Und was habt ihr da gemacht?«
    Er hatte schmale Lippen. Seine Augen waren kalt.
    »Nichts Besonderes«, erwiderte ich mit betont fröhlicher Stimme. »Wir sind nur ein bisschen herumgelaufen.«
    »Warum hast du die Jacke an?«
    »Ich musste dringend aufs Klo. Ich ziehe sie jetzt aus.«
    Ich ging hinunter. Er kehrte ins Wohnzimmer zurück. Ich hängte die Jacke auf und ging schnell wieder hoch, denn der Gedanke, dass die Süßigkeiten schutzlos in meinem Zimmer lagen, behagte mir nicht. Ich schaltete die kleine, runde Metalllampe auf dem Schreibtisch an. Der schlanke, längliche Kopf der Glühbirne füllte den leeren Raum, in dem er wohnte, mit seinem gelben Licht. Ich setzte mich aufs Bett. Straffte die Decke über den Süßigkeiten.
    Was jetzt?
    In meinem Inneren regten sich die unterschiedlichsten Gefühle. Im einen Moment war ich kurz davor, in Tränen auszubrechen, im nächsten war meine Brust von übersprudelnder Freude erfüllt.
    Ich suchte ein Buch über das Weltall heraus, das früher Vater gehört hatte. Ich hatte es mir ausleihen dürfen, als ich das letzte Mal krank gewesen war. Es enthielt lauter Zeichnungen, die zeigten, wie man sich die Weltraumreisen der Zukunft vorstellte. Die Ausrüstung der Astronauten, die Formen der Raketen und Oberflächen der Planeten hatten die Autoren in ihrer Fantasie entworfen und gezeichnet.
    Im Flur näherten sich Vaters Schritte.
    Er öffnete die Tür und sah mich an.
    Er machte keine Anstalten, hereinzukommen oder etwas zu sagen. Ich schlug das Buch zu, setzte mich aufrecht hin und warf einen kurzen Blick zu den Süßigkeiten.
    Man konnte nicht sehen, dass etwas unter der Decke lag.
    »Was hast du da?«, fragte Vater.
    »Wo?«, entgegnete ich. »Was meinst du? Ich habe nichts.«
    »Unter der Decke«, sagte Vater.
    »Ich habe nichts unter der Decke!«
    Er sah mich an.
    Dann ging er zum Bett und riss die Decke weg.
    »Du lügst mich an, Junge!«, sagte er. »Du lügst deinen eigenen Vater an!«
    Er packte mein Ohr und drehte es um.
    »Das habe ich nicht gewollt!«, sagte ich.
    »Woher hast du die

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