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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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heller wurde, bis Geirs Füße aus der Öffnung ragten, er den Oberkörper nachzog und ich den Kopf ins Freie schieben konnte.
    Anne Lisbet und Solveig standen eng zusammen neben dem Rohr und sahen mich an.
    »Du hast festgesteckt?«, fragte Anne Lisbet.
    »Ja«, antwortete ich, »aber nur kurz, Geir hat mir geholfen.«
    Geir rieb seine Hände aneinander ab. Dann bürstete er den Schmutz von den Knien seiner Hose. Ich richtete mich auf. Der Raum unter dem grauen Himmel war gewaltig. Alle Formen messerscharf.
    »Sollen wir zum Lille Hawaii gehen?«, fragte Geir.
    »Gute Idee«, sagte ich.
    Es war herrlich, über den Waldboden zu laufen. Die Wasserfläche des kleinen Waldsees war tiefschwarz. Die Bäume, die von den beiden kleinen Inseln in die Höhe ragten, standen vollkommen still. Wir hüpften jeweils zu einer Insel hinüber. Anne Lisbet und ich auf die eine, Solveig und Geir auf die andere.
    Anne Lisbets Lippen waren irgendwie so beweglich, sie öffneten sich so leicht und lächelten, manchmal auch ganz von selbst, wenn die Augen unberührt blieben. Sie folgten offenbar jedem kleinsten Impuls ihrer Gedanken. Ihr fiel etwas ein, und schon glitten sie rot und weich über das Harte und Weiße der Zähne, gelegentlich gefolgt von einem Ausruf oder einer Verdichtung der Freude in ihren Augen, gelegentlich ohne jede Verbindung zu etwas anderem.
    »Ihr seid jetzt Seemänner«, sagte sie plötzlich. »Und dann kommt ihr zu uns nach Hause. Wir haben uns ewig lange nicht mehr gesehen. Sollen wir das spielen?«
    Ich nickte. Auch Geir nickte.
    Die beiden Mädchen sprangen an Land und gingen einige Meter in den Wald hinein.
    »Jetzt könnt ihr kommen!«, rief Anne Lisbet.
    Wir warfen die Anlegetaue an Land, sprangen hinterher und liefen auf sie zu. Aber es ging alles nicht schnell genug, Anne Lisbet trippelte ungeduldig, lief selbst los, direkt auf mich zu, und als sie bei mir war, schlang sie die Arme um mich, schmiegte sich an mich und presste ihre Wange an meine.
    »Ich habe dich so vermisst!«, rief sie. »Oh, mein lieber Mann!«
    Sie trat einen Schritt zurück.
    »Noch mal!«
    Ich lief zum See zurück, sprang auf die kleine Insel und wartete, bis Geir auf der anderen stand. Dann wiederholten wir die Bewegungen mit dem Unterschied, dass wir diesmal so schnell wir nur konnten auf die Mädchen zuliefen.
    Wieder fiel sie mir in die Arme.
    Mein Herz pochte, denn ich stand nicht nur auf dem Boden eines Waldes mit dem Himmel hoch über mir, ich stand auch auf dem Boden meiner selbst und blickte in etwas Helles und Offenes und Glückliches hinauf.
    Ihre Haare rochen nach Apfel.
    Durch den Stoff der dicken Steppjacke spürte ich ihren Körper. Ihre glatte und kühle Wange an meiner eigenen, fast glühenden.
    Drei Mal spielten wir es. Anschließend gingen wir tiefer in den Wald hinein. Nach ein paar Metern fiel er sanft ab, und da an dieser Stelle vor allem Laubbäume wuchsen, war das Erdreich von roten, gelben und braunen Blättern bedeckt und bildete einen Fußboden vor den lichten Wänden der Stämme. Irgendwo rauschte ein Bach, das Gehölz verschmälerte sich zu einem Weg, der steil zur Hauptstraße hinunterführte, die wir jedoch erst sahen, als wir nur zwei, drei Meter über ihr waren.
    Gegenüber lag eine sanft abfallende Wiese und dahinter lehmgrau der Sund. Der Himmel über ihm war eine Spur heller.
    Die Autos fuhren schnell, so dass wir im Straßengraben blieben, als wir weitergingen. Die Flaschen, die wir hier des Öfteren fanden, waren immer glänzend und neu, während die im Wald oft von Gräsern und Blättern bedeckt waren, die an ihnen klebten. Manchmal steckten sie auch voller kleiner Tiere, und wenn man sie anhob, hatte man das Gefühl, einen Teil des Erdbodens aufzuheben.
    An diesem Tag sahen wir allerdings nirgendwo Flaschen. Auf Höhe von Larsens Haus, einem verfallenen, fast barackenartigen Gebäude, das einmal zu einem großen Hof gehört hatte, nun aber in eine Ecke zwischen Wald und Straße gedrängt stand, und dessen Besitzer an derselben Schule als Lehrer arbeitete wie Vater und Gerüchten zufolge mehrmals betrunken zum Unterricht erschienen war, überquerten wir die Straße und folgten dem Kiesweg nach Gamle Tybakken hinunter. Auf unserem Weg schauten wir uns, wenngleich immer halbherziger, weiter nach Flaschen um. Schon bald erreichten wir bebautes Gebiet. Alte, weiße Häuser, die weit hinten in ebenso alten Gärten voller Obstbäume und Beerensträucher standen. Die Tatsache, dass die Farben dort, wo

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