Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
Süßigkeiten? Woher hast du das Geld, dir Bonbons zu kaufen?«
    »Eine alte Frau hat es mir gegeben!«, antwortete ich und brach in Tränen aus. »Ich habe nichts Schlimmes gemacht!«
    »Eine alte Frau?«, sagte Vater. Er drehte das Ohr noch fester um. »Und warum sollte eine alte Frau dir Geld geben?«
    »Aua! Aua!«, rief ich.
    »Sei still!«, sagte er. »Du hast mich angelogen. Stimmt’s?«
    »Ja. Aber das wollte ich nicht!«
    »Sieh mich an, wenn ich mit dir rede. Hast du gelogen?«
    Ich hob den Kopf und sah ihn an. Seine Augen funkelten vor Wut.
    »Ja«, sagte ich.
    »Du wirst mir jetzt sagen, wo du das Geld herhattest. Hast du verstanden?«
    »Ja, aber ich habe es wirklich von einer alten Frau bekommen! Wir haben ihr geholfen!«
    »Wer?«
    »Geir und ich und A…«
    »Du und Geir und wer noch?«
    »Keiner. Nur Geir und ich.«
    »Du kleiner Lügenbold. Komm her.«
    Wieder drehte er mein Ohr um, zog gleichzeitig die Hand zu sich und zwang mich so aufzustehen. Ich schluchzte und weinte und fühlte mich innerlich vollkommen leer.
    »Runter ins Arbeitszimmer mit dir«, sagte er, ohne das Ohr loszulassen.
    »Ich habe … nichts … Schlimmes … getan«, stammelte ich. »Wir … haben … haben das … Geld … geschenkt bekommen.«
    Die erste Tür stieß er so fest auf, dass sie gegen die Wand knallte. Anschließend schleifte er mich durch die zweite und bis in die Zimmermitte. Dort ließ er mich los.
    »Woher hast du das Geld?«, fragte er. »Und lüg mich jetzt bloß nicht an!«
    »Wir haben … einer alten Frau … geholfen.«
    »Und wobei?«
    »Bei einem … Baum. Einem Baum … der im Bach festhing. Wir haben … ihn weggezogen.«
    »Und dafür soll sie euch Geld gegeben haben?«
    »Ja.«
    »Und wie viel?«
    »Fünf Kronen.«
    »Du lügst, Karl Ove. Woher hast du das Geld?«
    »ICH LÜGE NICHT!«, schrie ich.
    Seine Hand schoss zu meiner Wange und schlug zu.
    »Hier wird nicht geschrien!«, fauchte er.
    Dann richtete er sich auf.
    »Aber es gibt eine Möglichkeit, der Sache nachzugehen«, erklärte er. »Ich rufe die alte Frau an und frage sie, ob du die Wahrheit sagst.«
    Während er das sagte, sah er mich unverwandt an.
    »Wo wohnt sie?«
    »In … Gamle Ty … bakken«, antwortete ich.
    Vater ging zum Telefon auf dem Schreibtisch, hob den Hörer ab, wählte eine Nummer und hielt sich den Hörer ans Ohr.
    »Ja, hallo«, sagte er. »Mein Name ist Knausgård, es geht um meinen Sohn. Er sagt, er habe heute fünf Kronen von Ihnen bekommen. Stimmt das?«
    Es entstand eine Pause.
    »Nicht? Dann hatten sie heute also nicht Besuch von zwei Jungen? Sie haben keine fünf Kronen verschenkt? Aha, ich verstehe. Entschuldigen Sie bitte die Störung. Vielen Dank. Auf Wiederhören.«
    Er legte auf.
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    Er sah mich an.
    »Sie hat keine Jungen gesehen. Geschweige denn, jemandem Geld geschenkt.«
    »Aber das ist die Wahrheit! Wir haben fünf Kronen bekommen.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Davon hat sie mir nichts gesagt. So. Jetzt ist Schluss mit den Lügen. Woher hast du das Geld?«
    Eine neue Flut von Tränen ergoss sich aus meinen Augen.
    »Von … der … alten … Frau!«, schluchzte ich.
    Vater starrte mich an.
    »So kommen wir nicht weiter«, meinte er. »Du wirfst die Süßigkeiten in den Mülleimer und bleibst für den Rest des Abends in deinem Zimmer. Später werde ich mich mal mit Prestbakmo unterhalten.«
    »Aber die gehören mir nicht!«, sagte ich.
    »Sie gehören dir nicht? Du hast doch die ganze Zeit gesagt, du hättest fünf Kronen bekommen? War das jetzt doch nicht dein Geld?«
    »Sie gehören auch Geir«, entgegnete ich. »Ich kann sie nicht einfach wegwerfen.«
    Mit halb offenem Mund und wutentbranntem Blick starrte Vater mich an.
    »Du tust jetzt, was ich dir sage«, sagte er schließlich. »Ich will kein Wort mehr von dir hören. Hast du verstanden? Du stiehlst, du lügst, und zu allem Überfluss bist du auch noch trotzig! Los. Hoch mit dir.«
    Mit ihm im Rücken ging ich in mein Zimmer hinauf, sam melte die Süßigkeiten in beiden Händen, warf sie in der Küche in den Mülleimer und kehrte in mein Zimmer zurück.
    In jenem Herbst und Winter waren wir möglichst oft bei Anne Lisbet und Solveig. Wir liefen durch die Dunkelheit und spielten in feucht glänzenden Regenjacken und im Licht unserer Taschenlampen, die kleine Tunnel aus Licht in den Wald unterhalb ihrer Häuser warfen, wir saßen in ihren Zimmern und malten und hörten Musik, wir gingen zur Bootswerft und dem

Weitere Kostenlose Bücher