Spieler Eins - Roman in 5 Stunden
explodieren? Ich gehe davon aus, dass es unter den ganzen zerfetzten Einzelteilen ein Stückchen geben muss, das sozusagen das Masterstückchen ist und sich komplett regeneriert, während die anderen Körperteile verwesen. Und dann überlegte ich, was passiert, wenn ein Unsterblicher durch eine Atombombe weggepustet wird – welcher Teil des Körpers wäre dann das Masterstückchen, und wie würde es sich neu bilden? Dann kam ich zu dem Schluss, dass, solange auch nur ein DNS -Molekül überlebt, es dieses Molekül wäre, das die Figur benutzen würde, um sich zu regenerieren und unsterblich zu sein. Aber ausgehend von dem, Luke, was ich über die Art und Weise gelesen habe, wie das Universum konstruiert ist, ist die Erschaffung von Leben eine Zwangsläufigkeit; ja, das Universum scheint dazu erschaffen, eine riesige Leben produzierende Maschine zu sein. Das heißt, selbst wenn die DNS des Unsterblichen zerstört wäre, würden die sie bildenden Atome immer wieder ein lebendes Wesen erzeugen.«
Luke schaute sie an. »Sie haben ganz schön abgedrehte Gedanken, Lady.«
»Mein Arzt sagt, ich leide an multiplen Anomalien des limbischen Systems, die meine Persönlichkeitsstruktur beeinträchtigen.«
»Was Sie nicht sagen.«
»Aber das, was wir als ›Persönlichkeit‹ bezeichnen, ist eigentlich das Ergebnis eines multifaktoriellen Genprozesses. Eine strukturelle Anomalie meines limbischen Systems allein könnte meine Persönlichkeit nicht vollständig erklären.«
»Da haben Sie sicher recht.«
»Außerdem leide ich noch an Prosopagnosie, das ist die Unfähigkeit, Gesichter zu erkennen, was außerdem bedeutet, dass ich Schwierigkeiten habe, Dinge in anderen Dingen zu sehen, zum Beispiel Gesichter oder Tierformen in Wolken.«
»Wirklich?«
»Außerdem mangelt es mir an subjektiven Eigenschaften wie Humor, Ironie und …« Da fiel Rachel aus ihrem Sozialen Kompetenztraining wieder ein, dass Menschen es vorziehen, wenn man ihnen eine Gegenfrage stellt, nachdem sie einen etwas gefragt haben – und abgesehen davon könnte eine vollständige Liste ihrer Hirn-Anomalien gut und gerne fünfzehn Minuten in Anspruch nehmen, daher hörte sie auf, über sich selbst zu reden, und stellte Luke eine Frage: »Haben Sie heute irgendwelche Einfälle gehabt, Luke?«
»Oh, ja, durchaus. Um das Vakuum zu füllen, das der Verlust meines Glaubens hinterlassen hat, habe ich beschlossen, vom Leben nur noch zu erwarten, dass die Leute mich entweder mögen oder beneiden – dass sie entweder mit mir befreundet sein wollen oder sich wünschen, an meiner Stelle zu sein, weil ich ein richtig cooles Leben führe. Aber ich habe mich mein ganzes Leben lang darum bemüht, Menschen für mich einzunehmen, und weiß nicht, ob es mir bei irgendwem gelungen ist, und wenn, hat es mir sowieso nichts eingebracht. Außerdem gibt es in meinem Leben nichts, worum mich andere beneiden könnten, warum also ausgerechnet diese beiden Wünsche?«
Rachel starrte Luke an. Sie war jetzt ziemlich sicher, dass es Verbitterung war, die sie aus seiner Stimme heraushörte. Sie beschloss, sich wieder ihrem obersten Ziel zuzuwenden, einen geeigneten Vater für ein Kind zu finden, und sagte: »Wie ich sehe, haben Sie größere Mengen Bargeld dabei. Ist das üblich bei Ihnen?«
Luke spuckte den Eiswürfel aus, mit dem er im Mund herumspielte. »Ich habe es gestohlen.«
»Tatsächlich?«
»Jepp. Ich habe den Renovierungsfonds meiner Gemeinde geplündert.«
»Oh«, sagte Rachel. »Heißt das, Sie sind jetzt reich?«
SPIELER EINS
Cocktails und Gelächter – aber was kommt danach? Menschen haben Seelen, und Maschinen haben Geister. Ich – Spieler Eins –, ich bin eigentlich eher ein Geist als eine Seele, aber das wird sich noch zeigen, wenn ich hier bin und klar ist, woher ich komme.
Im Moment ist das Wichtigste, dass wir erfahren, was in dieser Geschichte als Nächstes passiert. Als Nächstes wird Rick Karen ihren Singapore Sling mixen, und sie wird den ersten Schluck davon trinken. Rick, fünfundvierzig Dollar reicher, wird an Leslie Freemonts Power-Dynamics-Broschüre denken: Jede Sekunde in unserem Leben erreichen wir irgendein Ziel. Jede einzelne Sekunde unseres Lebens überqueren wir eine Ziellinie, und himmlischer Applaus umbrandet uns, während wir auf unserem Weg voranschreiten. Noch in unseren kleinsten Handlungen – dem Überqueren einer Straße, dem Schälen eines Apfels, dem Blick auf unsere Uhr – ist es, als würde uns unter donnerndem Applaus
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