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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Dann stellt sie sich die perverse Frage, ob sie zu viel Klasse für Warren hat oder er zu viel Klasse für sie. Sie fragt sich, ob Warren wie der Typ Mann aussieht, der sich dein Auto leiht und es mit mehreren Dellen, aber ohne Erklärung zurückbringt – auf dem Sitz einen Fleck, gegen den alles Sprudelwasser der Welt nichts ausrichten kann. Karen ist in dieser schummrigen, reuigen Katerstimmung, die sie immer überkommt, wenn sie am Abend davor betrunken geeBayt hat. Was hab ich mir bloß dabei gedacht, um den halben Kontinent zu fliegen, nur um einen Mann zu treffen, den ich erst seit zwei Wochen elektronisch und visuell nur von zwei lügenhaften JPEGs kenne.
    Karen versucht, es mit Humor zu nehmen: »Sieht aus, als hätten wir den Punkt der Peinlichkeit schnell erreicht.«
    Warren sagt: »Normalerweise kommt der erst etwas später.« Dann besinnt er sich und meint: »Nicht, dass ich so was hier ständig mache.«
    »Wie oft haben Sie’s denn schon gemacht?«
    Warrens Pupillen ziehen sich zusammen wie Schließmuskeln. »Das sollte ein Witz sein, Sunshine.«
    Sunshine? Wo hat er das bloß her?
    Im Fernseher über der Bar sieht man religiöse Fundamentalisten aus South Carolina, die gegen Halloween protestieren. Karen hat das komische Gefühl, dass sie, weil sie sich für Warren schick gemacht hat, in Wirklichkeit als Halloweenversion ihrer selbst verkleidet ist. Sie stellt sich vor, was man Seltsames zu erwarten hätte, wenn man eine Party mit dem Motto »Komm als Halloweenversion deiner selbst« schmeißen würde. Sie testet ihren Einfall an Warren, dessen Nacken sich leicht versteift, eine Reaktion, die Karen dahingehend deutet, dass er wenig Vergnügen an abstrakten Diskussionen hat.
    »Wie meinen Sie das: ›Komm als Halloweenversion deiner selbst‹?«
    »Ich stell mir vor, man verkleidet sich dann wie eine extrem übersteuerte Version von sich selbst.«
    »Kapier ich nicht.«
    »Na ja, du guckst dir deinen Kleiderschrank und deine Frisur an und übertreibst dann alles … Du ziehst dich an wie eine Karikatur von dir selbst. Wie die unvorteilhaften Politikerpuppen in dieser englischen Fernsehserie.« Sie bricht ab. »Ach, vergessen Sie’s.« Warrens Scotch kommt, und sie sagt: »Ich finde, wenn Menschen wirklich Courage hätten, würden sie ihr Halloweenkostüm das ganze Jahr über tragen. Zumindest findet man dann ganz auf die Schnelle viele neue Freunde. So nach dem Motto ›He, ich steh auch auf Togas!‹ Oder › Star Trek? Ich bin dabei.‹ Dein Kostüm filtert die Leute heraus, mit denen du dich wahrscheinlich am besten verstehst.«
    Warren erhebt sein Glas, wodurch er jede weitere Diskussion unterbindet, und sagt mit einem lüsternen Grinsen: »Auf uns.«
    Auf uns ? Autsch.
    Warren legt Karen im Geist schon flach, und obwohl so gut wie jeder auf andere gerne sexy wirken möchte, begreift Karen, dass das Gefühl von Sexyness, das sie im Flugzeug noch so erfrischend fand, eher eine Manifestation ihrer neuen Rolle als Loserbeute war. Sie schaut zu Rick hinüber, der sich gerade mit dem verzweifelt dreinblickenden Vollversager ein paar Hocker weiter unterhält. Ricks Attraktivität ist jetzt beträchtlich gestiegen; Warrens Gesellschaft ist ihr peinlich, so als hätte sie sich in der Highschoolmensa an den falschen Tisch gesetzt.
    »Wie war der Flug?«, fragt Warren.
    »Gut. Prima. Danke.«
    Beide beginnen im Fernseher das Laufband mit den Schlagzeilen zu lesen. Karen erkennt, dass ihr Treffen keine Story mit Happy End oder auch nur mit Unhappy End werden wird, sondern lediglich ein weiterer Vorfall in ihrem Leben, der einen beliebigen Punkt an der Wand darstellen, sich aber niemals mit anderen Punkten zu einer irgendwie schönen oder bedeutungsvollen Linie verbinden wird. Sie fühlt sich wie in einem Filmausschnitt auf dem Discovery Channel, der Wildtiere an einem Wasserloch zeigt. Der Off-Kommentar klärt den Zuschauer darüber auf, dass das Leben von Wildtieren, anders als das von Menschen, keine Story ergeben muss. Wildtiere, diese glücklichen Kreaturen, müssen einfach nur da sein, um ihren Job, auf der Erde zu leben, gut gemacht zu haben – so wie ziemlich alles auf diesem Planeten, von den Menschen einmal abgesehen.
    Auf dem Bildschirm sieht man drei Leute, die in einer überschwemmten Stadt des Mittelwestens auf ihrem Hausdach sitzen, grillen und grinsend vorbeifliegenden Hubschraubern zuwinken. Karen wird plötzlich von Neid erfasst: Eine Veränderung ist ganz von allein in das Leben dieser

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