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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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bloß dabei gedacht, als er die Ewigkeit erfand?«
    Insgeheim liebte Rachel Gott. Sie fand es wundervoll, wie sich mit Gott Antworten auf alle Fragen geben ließen. Sie musste nun nicht mehr selbst alles durchdenken – obwohl dies wahrscheinlich nicht der Geist war, in dem man sich dem Glauben zuwenden sollte. Sie fragte sich, was die anderen Mitglieder im Fünfzigtausend-Mäuse-Klub von ihrer Bekehrung halten würden – ob sie dadurch für sie an wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit verlor.
    Bertis sah Rick an und sagte: »He, Sie Hurenbock. Erst machen Sie ein gefallenes Mädchen aus ihr, aber dann erlösen Sie sich selbst, indem Sie sie zum Glauben führen. Gute Arbeit.«
    »Ich hab mit dieser Gott-Geschichte nichts zu tun. Ich habe keine Ahnung, woher das auf einmal kommt.«
    »Ja, die Wege des Herrn sind unerforschlich«, sagte Bertis. »Na, Rachel, dann sind Sie und ich ja jetzt Freunde.«
    »Sind wir das?«
    »Oh ja. Wir haben das Allerwichtigste gemeinsam: unseren Glauben.«
    »Ist wohl so.«
    »Versuchen Sie gar nicht erst, sie auf Ihren Weg zu locken, Schwanzgesicht«, sagte Rick.
    »Meinen Weg? Darf ich daran erinnern, Rick, dass Sie noch nicht mal einen Weg anzubieten haben? Wenn ich Sie begleiten, Ihnenfolgen würde, wo kämen wir da wohl hin?« Er blickte Rachel an. »Wir dagegen haben zumindest einen Weg, stimmt’s?«
    »Einen Weg?«
    »Rachel kann Metaphern nicht verstehen«, schaltete sich Karen ein.
    »Oh. Ich kann ihr also nicht sagen, dass sie nun neue Augen hat, um neue und wunderbare Dinge zu sehen?«
    »Könnten Sie schon, aber sie würde es wahrscheinlich nicht verstehen. Außerdem lese ich während der Mittagspause immer medizinische Fachblätter, deshalb weiß ich, dass es immer böse endet, wenn Ärzte Menschen, die schon blind zur Welt gekommen sind, im Erwachsenenalter doch noch die Sehkraft verleihen.«
    »Im Ernst?«
    »Ja. Die plötzlich Sehfähigen raffen es einfach nicht – wie sich Objekte in Raum und Zeit bewegen, Farben. Selbst Kopfsalat kann ihnen eine Heidenangst einjagen.«
    »Ich mag Sie immer noch, obwohl Sie eine Schwarzseherin sind«, erklärte Bertis.
    »Warum sagen Sie mir ständig, dass Sie mich mögen?«
    »Das ist ein alter Trick, der sich Schmeichelei nennt«, sagte Luke. »Er glaubt, Sie wären eine potenzielle Konvertitin, deswegen schmiert er Ihnen Honig ums Maul.«
    »Honig ums Maul?«, fragte Rachel.
    »Das ist eine Metapher«, sagten Luke und Karen unisono.
    Plötzlich gab es einen dumpfen Schlag aus Richtung der Eingangstür, und alle fuhren erschrocken auf.
    »Bleibt hier«, sagte Rick. Er presste sich an die Wand, die Schrotflinte in der rechten Hand, und schob sich auf die Tür zu.
    Als das Geräusch erneut ertönte, sagte Rachel sich, es müsse daher kommen, dass sich jemand gegen den Zigarettenautomaten im Rahmen der zersplitterten Glastür warf.
    »Vielleicht ist es die Polizei«, meinte Karen.
    » Schhhhht «, machte Rick und schlich sich noch näher an die Tür.
    Bertis wandte sich Rachel zu und flüsterte: »Könntest du mich nicht losschneiden, Rachel?«
    »Nein.«
    »Ich habe große Schmerzen, Rachel, und aufrecht Sitzen macht es noch schlimmer. Ich muss mich auf den Rücken legen, damit das Blut aus meinen Beinen zurückläuft. Gläubige müssen zusammenhalten.«
    »Ich mache Ihre Beine los und kippe den Stuhl nach hinten auf den Boden. Dann liegen Sie ja auch, sozusagen.«
    »Gut. Aber ganz leise.«
    Karen zischte Rick zu. »Siehst du was?«
    Rick schüttelte den Kopf.
    Luke sah zu Rachel, die das Klebeband an Bertis’ Beinen auftrennte. »Was zum … Rachel, lassen Sie das!«
    »Ich mach doch nur seine Beine los, Luke, damit das Blut besser zirkulieren kann.«
    Bertis sagte: »Nur die Beine. Ich muss mich hinlegen. Das hilft meinem Zeh. Dem, den Sie mir abgeschossen haben.«
    Luke funkelte Bertis an. »Okay, Rachel, legen Sie ihn auf den Rücken, oder was immer er will. Aber machen Sie nicht seine Hände los.«
    Als sie Bertis’ Stuhl nach hinten auf den Boden kippte, sah sich Rachel Bertis’ Hände an, von denen sich durch die Chemikalien leicht die Haut pellte: kein Ehering, ein Notfallarmband, Schwielen auf den Fingerkuppen.
    Rick zog vorsichtig ein Tischtuch beiseite, um zur Tür hinaussehen zu können, und rief dann: »Heilige Scheiße … es ist ein Junge! Ein Teenager. Schnell! Helft mir, dieses Zeugs aus dem Weg zu schaffen!«
    Luke signalisierte, dass er Bertis bewachen würde, während Rachel und Karen Rick zu Hilfe eilten, um den

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