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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Zigarettenautomaten,die Möbel und den anderen Krempel vor der Tür wegzuräumen. Rachel sah einen Halbwüchsigen, der über und über mit rotem Staub bedeckt war. Seine Augen und seinen Mund hatte er sich sauber gewischt, aber sie waren flammend rot.
    Rick griff durch den Türrahmen und zog den Jungen nach drinnen.
    »Großer Gott«, sagte Karen. »Das ist der Junge aus dem Flugzeug.«
    »Welcher Junge aus welchem Flugzeug?«, fragte Rachel.
    »Der Junge mit dem iPhone.«

SPIELER EINS
    Es werden jetzt viele Dinge geschehen, und diese Dinge werden schnell geschehen, denn die Zeit wird nun tatsächlich zur reißenden Flut, und zudem brennt die Zeit, und in dieser brennenden Flut wird Karen erkennen, dass sich die Welt unwiderruflich verändert hat. Sie wird mit Luke und dem Jungen aus dem Flugzeug dasitzen und über Casey und ihre Familie nachdenken und wissen, dass etwas von weit größerer Tragweite als 9/11 geschehen ist – die gesamte Welt ist jetzt Ground Zero und wird nie wieder normal werden – und das an sich wird dann die neue Normalität sein. Irgendwie wird Karen ihren Frieden damit machen – aber noch nicht jetzt, denn erst müssen andere Dinge geschehen, und sie müssen schnell geschehen. Die Zeit läuft schneller, die Zeit läuft langsamer, immer die Zeit, die uns drangsaliert, uns damit plagt, dass wir uns ihrer Gegenwart ständig bewusst sind, und unsere einzigen Waffen gegen die Zeit sind unser freier Wille, unsere Überzeugung von der Heiligkeit des Lebens und unsere Hoffnung, dass wir eine Seele haben.
    In dem Moment wird Rick dann wieder einfallen, dass er vorhin getrunken hat, dass er gestrauchelt ist und seine schöne Abstinenz für die Katz war – da wird er sich fragen, ob alles, was ihm gerade passiert, nicht vielleicht bloß ein Strauchel traum ist – würde das nicht alles erklären! –, deswegen wird er sich selbst ohrfeigen, um daraus aufzuwachen, doch das wird nicht funktionieren, und darum wird er schließlich wissen, dass dies kein Traum ist.
    Er wird brüllen: »Ich bin verflucht! Wir alle sind verflucht!«
    Luke wird ihm sagen, er solle sich beruhigen, aber Rick wird sich nicht beruhigen. Und das Blut vor ihm auf dem Boden wird ihn an den Biologieunterricht auf der Highschool erinnern. Er wirdsich erinnern, dass alle Säugetierembryonen bis zu einem bestimmten Entwicklungsstadium gleich aussehen, aber die Menschen trifft dann irgendwann der Fluch. Sind auch andere Säuger verdammt? Was macht die Menschen so einzigartig? Unsere Fähigkeit, Zeit zu erleben? Unsere Fähigkeit, die Episoden unseres Leben in eine Reihenfolge zu bringen? Unser freier Wille? Welche einzelne, finale Russisches-Roulette-Gen-Sequenz verdammt uns alle? Wir stehen anderen Tieren so nahe und sind doch so gänzlich andersartig.
    Rick wird denken: Das Universum ist so gewaltig und die Welt so voller Herrlichkeit, doch hier stehe ich, eiskaltes schwarzes Öl durch meine Adern pumpend, und ich komme mir vor wie das gottloseste Wesen auf Erden .
    »Wir sind schon bei unserer Geburt verloren«, wird Rick sagen, und Luke wird entgegnen: »Darauf weiß ich keine Antwort.«
    Luke wird die Trümmer des Tages betrachten, die in der Lounge verstreut sind, und dabei nicht wissen, was er tun soll. Sollte ich beten? Ich bin mir nicht mehr sicher, dass ich eine Seele habe.
    Dann wird Luke paranoid werden. Er wird sich fragen, ob Gott mit ihm ein Spiel treibt. Dann wird er denken: Gut, Glaube hin oder her, am Ende wird man uns nach unseren Taten beurteilen, nicht nach unseren Absichten. Wir sind die Summe unserer Entscheidungen, und wie oft kommt mit der Entscheidung schon die Reue.
    Luke akzeptiert Karens Hand – eine fürsorglich ausgestreckte Hand, eine Hand, die sein Inneres formen kann, die sein Gesicht berühren und ihn die Wahrheit erkennen lassen wird. Dank ihrer wird er verstehen, dass alle auf Erden gebrannte Kinder sind. Und das ist das große Wunder.
    An dieser Stelle wird Rachel ihre Vision haben. Es wird kein Traum und keine Halluzination sein, sondern eine echte Vision, hyperreal sogar, so klar, deutlich und staubfrei wie eine Online-Zweitwelt, und so wird ihre Vision aussehen: Rachel wird durch die verwaisten Straßen der Vorstadt schleichen, in der sie aufgewachsen ist. Es wird helllichter Tag sein, doch plötzlich wird sich der Himmelschwarz verdunkeln, allerdings nicht sonnenfinsternisschwarz. Der optische Eindruck wird eher so sein wie in der kerzenbeleuchteten Lounge: als wäre die Sonne plötzlich

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