Spielregeln im Job durchschauen
ein Gespräch mit einem Franzosen ohne Small Talk, dann habe ich die Chance, an seiner Mimik zu erkennen, ob er etwas pikiert ist. Wenn ich das bemerke, kann ich noch schnell eine persönliche Frage stellen. Schicke ich ihm aber eine E-Mail, in der ich nur schreibe: »Herr XY, Ihre Zahlen sind falsch«, dann merke ich gar nicht, wie er darauf reagiert. Dann ist er als Franzose vielleicht verärgert, weil der persönliche Einstieg ins Gespräch fehlt und ich mich aus seiner Sicht sehr schroff und beleidigend ausgedrückt habe. Die Irritation ist da und kann in der weiteren Zusammenarbeit zu Konflikten führen.
Kulturstandards und Kulturdimensionen
Es geht nicht darum, fremdes Verhalten zu imitieren, sondern sich auf das Gegenüber einzustellen, anstatt von vornherein davon auszugehen, dass es nach demselben Muster funktioniert. Mikropolitisch ist es auch im internationalen Kontext für Frauen hilfreich, den Vorgesetzten in der formalen Hierarchie oder den Projektleiter als internen Kunden zu sehen. So als wenn Sie Business in China, Indien oder Mexiko machen wollten, ist es auch hier die Kultur des Kunden, auf die sich der Verkäufer einstellen sollte – in diesem Fall die des Vorgesetzten, dem Sie Ihre Arbeitskraft verkaufen. Das gilt natürlich auch, wenn Sie Kollegen auf derselben Ebene überzeugen möchten, dass eine Mitarbeit an Ihrem Projekt sinnvoll ist.
Doch um welche Kultur handelt es sich dabei? Oft ist das nicht so einfach zu bestimmen. Wichtige Fragen dabei sind:
Aus welchem Teil der Welt kommt Ihr Gegenüber?
Welche Kulturstandards herrschen dort üblicherweise?
Lebt Ihr Gegenüber diese Kulturstandards?
Inwieweit ist Ihr Gegenüber durch eine internationale Ausbildung und den Kontakt mit diversen Kulturen geprägt?
Wie lange arbeitet Ihr Gegenüber bereits in einem internationalen Umfeld?
Da das eigene kulturelle Orientierungssystem zum alltäglichen und »normalen« Leben gehört, weil man darin aufgewachsen ist und in der Regel nie etwas anderes erlebt hat, treten diese unbewusst wirkenden Kulturstandards zumeist erst im Zusammentreffen mit Menschen aus einer fremden Kultur zutage. Diese Orientierungen, die in unterschiedlicher Ausprägung auftreten, werden für die Beschreibung des »Typischen« beziehungsweise für die Formulierung von Standards zwangsläufig abstrahiert und verallgemeinert. Bei der Definition von Kulturstandards unternimmt man den Versuch, ein bestimmtes Verhalten auf ein (spezifisches) zugrunde liegendes kulturelles Muster zurückzuführen. Bei der Suche nach Kulturdimensionen geht es dagegen um die weiter reichende Frage, ob bestimmte Kulturstandards auf Grunddimensionen (allgemeinen) menschlichen Verhaltens zurückgeführt werden können.
Wissenschaftler haben Kultur in verschiedene Dimensionen eingeteilt, wie etwa Raum, Zeit, Machtdistanz oder Unsicherheitsvermeidung. Dabei erfassen die Modelle, die zur Strukturierung der kulturellen Dimensionen entwickelt wurden, ihren Gegenstand zumeist auf linearen, bipolaren Skalen. Jede Dimension besteht aus einer Achse, die zwei extreme Werte verbindet. Auf ihr werden die jeweiligen Kulturen angeordnet. Zum Beispiel haben Nationen, die gut improvisieren können, ein schwaches Bedürfnis nach Unsicherheitsvermeidung. Sie reagieren gelassener auf chaotische Verhältnisse. Im Gegensatz dazu sind wir Deutschen von einer starken Unsicherheitsvermeidung geprägt und versuchen durch strengere Regelsysteme unstrukturierte Situationen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Für Frauen sind neben der Frage, wie hierarchieorientiert das globale Unternehmen ist, in dem sie arbeiten, besonders die Frage und die taktische Beschäftigung damit wichtig, welches unter anderem kulturgeprägte Verhältnis zur Macht ihr Gegenüber hat.
Mikropolitische Analyse: Unterschiedlicher Umgang mit Macht
Frauen sollten also analysieren, inwieweit Ihre Gegenüber einer Kultur entstammen, die machtorientierter ist als Deutschland. Dazu gibt es wissenschaftliche Untersuchungen interkultureller Experten. Doch sehr hilfreich ist es vor allem, den eigenen Blick zu schärfen und sich immer wieder mit Mentorinnen oder Verbündeten darüber auszutauschen. Je machtorientierter eine Kultur ist, umso mehr müssen Frauen darauf achten, respektiert zu werden. Das fängt bereits mit den Signalen an, die deutsche Chefs und Kollegen zeigen, wenn sie sich gegenüber den Kolleginnen in den Vordergrund drängen. Das zeigt den Einheimischen, dass die Frauen doch nicht so bedeutsam
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