Spielregeln im Job durchschauen
Deutschland zu Verhandlungen erwarten, sollten Sie sich »geliehener« Autorität bedienen – auch wenn das für viele Frauen nur schwer mit ihrem Selbstverständnis zu vereinbaren ist. Lassen Sie sich auf jeden Fall von jemand Wichtigem empfehlen, wenn Sie zu Verhandlungen nach Japan reisen. Lassen Sie etwa Ihren männlichen Chef in Japan anrufen und sich von ihm für die Gespräche empfehlen.
Die Journalistin Anne-Bärbel Köhle, die für eine Special-Interest-Zeitschrift nach Tokio reiste, fühlte sich als westliche Frau von ihren japanischen Gesprächspartnern mit größtem Respekt behandelt. Allerdings hatte sie auch den Rat beherzigt, zu den Terminen möglichst ein kleines »Gefolge« mitzunehmen: einen Übersetzer und eine Assistentin. Unabhängig davon, ob für beide etwas zu tun war oder nicht, erhöhten sie den Status der Journalistin gegenüber ihren japanischen Gesprächspartnern.
Auch etwa in Vietnam sind hierarchische Strukturen ausgeprägter als in Deutschland. So sollte bei der Begrüßung der Delegationsleiter immer vom deutschen Delegationsleiter als Erstes begrüßt werden.
Teamwork ist oft nicht angesagt
Die Delegationen sitzen sich am Tisch gegenüber und die jeweiligen Höchstrangigen sitzen sich dabei in der Mitte gegenüber, ihre Mitarbeiter links und rechts gruppiert. Ausländische Mitarbeiter haben vor allem in großen Unternehmen, Staatsbetrieben und Verwaltungen weniger Entscheidungsbefugnisse als in Deutschland. Das äußert sich beispielsweise in Gesprächen, bei Verhandlungen oder Workshops mit größeren Gruppen, bei denen meist nur der Delegationsleiter redet und Untergebene nur nach Aufforderung durch den Vorgesetzten. Deutsche Vorgesetzte, die bei einem Workshop einen offenen Meinungsaustausch mit ihren vietnamesischen Mitarbeitern erwarten, werden so unter Umständen enttäuscht, weil es keiner gewohnt ist, sich im größeren Kreis zu äußern.
In Tansania gibt es beispielsweise auch kein Teamwork. Es gibt immer irgendjemanden, der etwas anordnet, und jemanden, der etwas ausführt. Es reicht auch nicht, einer Gruppe von Mitarbeitern zu sagen, was zu tun ist, denn auch innerhalb einer Gruppe gibt es wieder Hierarchien. Die Höhergestellten laden dann die ganze Arbeit auf Rangniedere ab. Diese Hierarchien muss auch eine Weiße aus dem Westen einhalten. Für Deutsche hat autonomes, selbstbestimmtes Handeln einen hohen Wert. Sich trotzdem auf die hohe Entscheidungshierarchie in Tansania einzustellen, bedeutet für Frauen, darauf achten zu müssen, dass ihr Stellenwert vom tansanischen Partner hoch genug eingeschätzt wird, um sie ernst zu nehmen und mit ihr zusammenzuarbeiten. Auch in der Türkei sollten deutsche Managerinnen nicht zu viel Sympathie für die Untergebenen zeigen, sonst sehen diese die Anweisungen nur als unverbindliche Möglichkeiten. Das bedeutet für Frauen erst recht, dass sie ihre Kompetenz deutlich zeigen müssen.
In Mexiko haben Hierarchien ebenfalls eine wesentlich höhere Bedeutung als in Deutschland. Bei Telefonaten sollte man darauf achten, ob der mexikanische Geschäftspartner seine Sekretärin anrufen lässt. Wenn das der Fall ist und man selbst keine Unterstützung durch eine Assistentin hat, bittet man einen Kollegen oder eine Kollegin, die Verbindung herzustellen. Sonst wertet man sich dem anderen gegenüber selbst ab und gerät in eine schlechtere Position. Als Chefin sollte man die Initiative übernehmen und im Gespräch mit den eigenen Mitarbeitern auch die Themen vorgeben. Was die Verwendung von Titeln angeht, herrschen in Mexiko fast österreichische Verhältnisse – also eventuell neue Visitenkarten drucken lassen und dabei Ausbildungen an Berufsakademien und Fachhochschulen großzügig aufwerten.
Doch man muss den Blick gar nicht so weit in die Ferne schweifen lassen. Bereits in Frankreich oder bei der Zusammenarbeit mit französischen Vorgesetzten oder Kollegen sollte man sich darüber klar sein, dass geografische Nähe nicht auch selbstverständlich kulturelle Nähe bedeutet. Die Hierarchie spielt in Frankreich die Hauptrolle. Sich statt an den Abteilungsleiter direkt an einen Bereichsleiter zu wenden, ist also keine gute Idee. In Slowenien gilt ebenfalls: Der Boss ist der Boss. Deutsche Verhandlungspartnerinnen sollten deshalb überprüfen, ob ihr Gesprächspartner auch befugt ist, die Entscheidung zu treffen, und zeigen, dass sie selbst die Chefin sind. Hinzu kommt, dass vor allem ältere Slowenen, die noch stärker von der
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