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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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ihr auf die Schuhe und rannte zu ihm hin.
    Er war ein komischer kleiner Bengel mit einem Kopf wie
ein Kürbis. Er kam mir reichlich seltsam vor mit seinen Pausbacken und seinem Preisringerbizeps, der wirkte, als hätte er ihn von einem älteren Bruder geborgt. Er schaute nicht mal auf, als ich zum Sandkasten kam.
    »Wollen wir Ball spielen oder so?«, fragte ich. In seinem Afro waren so komische kahle Stellen, wie graue Fetzen.
    Er hob endlich den Kopf, und mir wurde leicht schwummrig im Magen von seinem spöttischen Blick. »Sieht das hier aus wie ein Platz, auf dem man Ball spielt, Blödmann?«, sagte er. »Das ist ein Sand kasten. Zum Sand burgenbauen.« Er schüttelte den Kopf und schnaubte verächtlich. »Ich sitz im Sand, und der redet vom Ballspielen.«
    Mein Gesicht wurde heiß, ich kam mir vor wie ein Vollidiot. Ich wandte mich ab und wollte gerade den Rückzug antreten, als der Junge sagte: »Du bist aus Peabody Heights, stimmt’s?«
    Ich drehte mich um. Seine Miene war um kein Haar freundlicher als vorher, aber sein Gesicht hatte jetzt so etwas Gerissenes, Schlaues, als hätte er zielgenau einen ganz bestimmten Punkt scharf im Visier. »Du wohnst in der Maryland Ave.«
    Ich zuckte zusammen. »Woher weißt du das?«
    »Ich wohn auch in Peabody Heights«, sagte er in einem Ton, als wäre das eine allgemein bekannte Tatsache. »Hast du mich noch nie in der Kirche gesehen?«
    Wenn ich diesen Kürbiskopf schon mal in der Kirche gesehen hätte, dann hätte ich was davon gewusst, echt wahr. So was vergisst man nicht. Aber ich wollte auf keinen Fall riskieren, dass er mich noch mal so höhnisch anschaute. »Kann sein. Ja, ich glaub schon.«
    Er spuckte angewidert in den Sand, und mir rutschte das
Herz in die Hose. »Du bist ein dreckiger Lügner«, sagte er und zog seine dünnen Lippen auf der einen Seite des Munds nach oben. »Du hast mich in deinem ganzen Leben noch nie gesehen.«
    »Hab ich doch«, sagte ich.
    Er schüttelte den Kopf. Aber da er nicht wollte, dass ich wieder ging, wechselte er das Thema. »Hast du gewusst, dass die Charles Street nach mir benannt ist?«
    Wer von uns beiden ist jetzt der dreckige Lügner?, hätte ich am liebsten geantwortet, aber ich traute mich nicht. »Echt?«, sagte ich. »Du heißt Charles Street?«
    »Mann, bist du blöd? Welcher Mensch heißt denn Charles Street? Ich heiße Charles Jones. Charles C. Jones.«
    »Für was steht das C?«
    »Das geht dich nichts an. C., das reicht. Charles C. Jones. Und später werd ich mal Bürgermeister von Baltimore.«
    Träum weiter, dachte ich. Dieser Junge hatte ein Leben voller Enttäuschungen vor sich. Am besten ließ man ihm seine Luftschlösser, dann hatte er in Zukunft wenigstens schöne Erinnerungen. »Ja, bestimmt«, sagte ich. Ich stand da in der Hitze, meine Haut juckte, und ich wünschte mir, Hetty würde aufspringen und mich rufen, sodass ich hier weggehen konnte.
    »Was hast du vor?«, fragte Charles C. Jones mit einem kleinen Lächeln. Er spürte, dass ich drauf und dran war abzuhauen, und er wollte, dass ich blieb.
    »Hetty und ich – die da drüben ist meine Schwester Hetty, die mit dem doofen Hut –, wir gehen jetzt nach Hause.«
    »Ach was, komm lieber mit zu mir. Ich hab Süßigkeiten, Schokolade.«
    Schokolade war mein Ein und Alles. Aber nicht, wenn ich
dafür zu diesem Komiker nach Hause gehen musste, nein, danke. »Hetty und ich müssen heim.«
    Kaum hab ich das gesagt, wer kommt mit flatternden Hutbändern über den gelb vertrockneten Rasen angetrabt? Hetty, klar. Sie blieb bei der Schaukel stehen, lehnte sich an einen der Balken, um zu verschnaufen. Dann rannte sie weiter und kam keuchend bei uns an.
    »Ich geh zu Lucia«, sagte sie und warf mir einen boshaften Blick zu. Sie wusste genau, dass ich von diesem Jungen wegwollte, und sie hatte nicht vor, mir die Sache leichter zu machen. »Mama hat gesagt, wir brauchen nicht vor sechs zu Hause zu sein. Also dann, viel Spaß, du miese kleine Speikobra, mach dir einen schönen Tag mit deinem Freund. Wir sehen uns zu Hause.«
    Voller Hass sah ich zu, wie sie fortlief. Jetzt war ich diesem Jungen ausgeliefert, seinen Launen, seinem höhnischen Grinsen.
    Er stand auf, der Sand floss von seinem Overall wie Wasser. Er boxte mich auf den Arm. »Komm, gehen wir zu Tante Cecile.«
    »Zu wem?«, fragte ich und trottete widerwillig hinter ihm her.
    »Das ist meine Großtante. Sie hat die Schokolade.«
    Charles C. Jones wohnte in einem heruntergekommenen großen Haus an der

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