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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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nicht leisten konnte, in Seersucker-Anzügen und weißen Hemden auf, die so steif gestärkt waren, dass die Manschetten Druckstellen an seinen Handgelenken hinterließen. Sogar wenn er auf der Bühne sein Schlagzeug traktierte, wirkte er wie ein Croupier, der im Kasino Karten ausgibt. Nur unmittelbar nach einer Schlägerei sah er nicht aus wie aus dem Ei gepellt, sondern eher wie ein James Bond, den man durch den Mixer gejagt hat. Immerhin konnte man ziemlich sicher sein, dass sein Gegner noch mehr abgekriegt hatte.
    »Der Scotch ist prima«, sagte Chip und stellte sein Glas auf die verblichene Tischplatte.
    »Na ja, ich weiß, du bist was Besseres gewöhnt.«
    »Schmeckt echt gut.« Chip schaute umher und räusperte sich leise. Abwesend und ohne zu fragen, ob er rauchen durfte (wann hatte Chip Jones jemals um Erlaubnis gefragt?), zog er ein Zigarettenetui aus Titan mit seinen eingravierten Initialen heraus. Er nahm sich ein Zigarillo – von der besten Sorte, so wie ich ihn kannte – und zündete es an. Er hielt mir das Etui hin.
    »Lieber nicht. Wenn ich erst mal anfange, so was Gutes zu rauchen, kann ich nicht mehr zurück. Und außerdem muss ich auf meine Gesundheit achten.«
    »Bist du krank?«
    »Nein. Ich bin jetzt bloß … in Rente. Da fängt man an, sich Gedanken zu machen.«
    »Was soll das, Sid? Es kommt, wie es kommt. Denk nicht darüber nach, es kommt nichts Gutes dabei raus.« Chip lächelte. »Es überrascht mich, dass du dich zur Ruhe gesetzt hast. Ich werde das nie machen, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.«
    Ich glaubte ihm. Wir waren steinalt, aber Chip tourte immer noch hektisch durch die ganze Welt. War genauso in Buenos Aires oder in Reykjavík daheim wie in Baltimore.
    Ich nicht. Nein, ich nicht. Ich war einunddreißig Jahre lang mein eigener Chef. Ich habe Schreibarbeiten für verschiedene Ärzte erledigt, für spießige, korrekte Herren mit Gesichtern wie Spüllappen. Ich hab die komplizierten, ellenlangen Leidensgeschichten ihrer Patienten getippt und Gott gedankt, dass es nicht die meinen waren. Und obwohl ich so andauernd mit Krankheiten zu tun hatte, blieb ich selber gesund; ich bin eben unter einem guten Stern geboren, wie meine dritte Frau immer mit verkniffenem Gesicht sagte. Ich weiß nicht, ob es stimmt. Irgendwann mit zweiundachtzig bin ich morgens alleine aufgewacht und habe beschlossen, mit dem Einzigen, was ich den ganzen Tag zu tun hatte, aufzuhören. Es ist eine Arbeit, bei der man keine Gesellschaft hat, die aber doch den Tag ausfüllt. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass ich diesen Ruhestand keine zwei Wochen aushalten würde, aber es zeigte sich, dass sich doch etwas verändert hatte. Nicht dass mich die Vorstellung eines geruhsamen Lebensabends so besonders gelockt hätte, es war eher eine neue Wahrnehmung, die den Ausschlag gab, das Bewusstsein meiner Hinfälligkeit. Ich musste es in Schach halten. Denn wenn
man sich solchen Gedanken kampflos überlässt, ist man geliefert.
    Chip sah mich mit einer verdrucksten Miene an, und ich merkte, dass ihm was Heikles auf der Seele lag. »Was ist los, Jones?«, fragte ich. »Raus damit.«
    Er lachte – es war mehr so ein helles Kichern ganz oben aus der Kehle. »Du bist eine richtige alte Jungfer geworden, Sid. Ich brauch bloß ein bißchen in den Zähnen rumzustochern, dann glaubst du gleich, das hätte Wunder was zu bedeuten.«
    »In deinem künstlichen Gebiss, meinst du«, sagte ich.
    Er beugte sich vor, nahm sein Glas und stürzte den Scotch hinunter. Er hatte merkwürdig dünne Lippen, die, noch feucht von dem Whisky, wie Austern wirkten.
    »Aber es stimmt doch, oder? Irgendwas führst du im Schild.«
    Chip verzog ärgerlich das Gesicht und räusperte sich. Er schaute mir starr in die Augen. »Sidney Griffiths«, sagte er. 
    Ich musste mich zurückhalten, um nicht zu lachen. Gleich platzt er, der alte Chip, dachte ich.
    »Sidney Griffiths«, sagte er noch einmal. Er hielt das Zigarillo dicht vor seinen Lippen, aber er rauchte nicht. Ich schaute zu, wie es abbrannte. »Ich muss dir etwas sagen, aber ich will es nicht. Weil du es mir nicht glauben wirst.«
    Chip meint, seinem Charme könnte niemand widerstehen, und ich habe nicht den Ehrgeiz, ihn in diesem Glauben zu erschüttern. Aber weil er das denkt, schlüpfen ihm manchmal als Wahrheit verkleidete Lügen raus. Er kann einfach nichts dagegen tun.
    »Sidney Griffiths«, sagte er zum dritten Mal, und da wusste ich endgültig, dass was im Busch war. »Du

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