Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
Vom Netzwerk:
dabei, wieder auf sie abzufahren, und jetzt das! Es fiel mir schwer, mein Lächeln beizubehalten.
    »Ich freu mich schon drauf, dich zu hören«, sagte Armstrong.
    Hiero verstand ihn nicht. Er ließ die Türklinke los und nickte schüchtern.
    »Sid«, sagte Delilah. »Übersetz es ihm.«
    »Louis möchte dich gern spielen hören«, sagte ich.
    Der Junge nickte und machte eine feierliche kleine Verbeugung vor Armstrong. Das Komische war: Es wirkte überhaupt nicht lächerlich, sondern irgendwie würdevoll.
    Armstrong lachte. »Wir beide müssen uns unbedingt mal unterhalten, in unserer Sprache.« Er sah Delilah hilfesuchend an. »Sagst du’s mir noch mal?«
    »Hieronymus. Das haben wir doch geübt.«
    Armstrong lachte verlegen, schüttelte den Kopf. »Wie?«
    » Hieronymus, Lou. Du wirst offenbar schon taub.«
    »Harronnius«, sagte er. »Herro … Verdammt, ich nenn ihn einfach Little Maestro. Von jetzt an heißt der Junge Little Maestro. Ich hab ihn zwar noch nicht spielen gehört, aber ich verlass mich darauf, dass es stimmt, was alle sagen.«
    »Du verlässt dich darauf, dass es stimmt, was ich dir sage«, verbesserte Delilah. »Oder genügt dir das nicht?«
    »Doch, natürlich.« Armstrong lächelte. »Also, wann können wir loslegen?«
    Chip grinste. »Jederzeit, Louis.«
    »Hiero braucht eine Trompete, Lou«, sagte Delilah. »Er hat vor lauter Hektik seine in Berlin vergessen.«
    Armstrong zuckte die Achseln. »Das ist überhaupt kein Problem. Der Junge kann meine alte nehmen, wenn er will.«
    Nie und nimmer. Ich starrte Hiero an.
    »Auf was wartest du?«, fragte Delilah ungeduldig. »Sag’s ihm.«
    »Du kannst Armstrongs Trompete haben, bis sie dir eine neue besorgt hat«, murmelte ich.
    Hiero nickte lächelnd.
    Delilah sah mich an, als hätte sie mir einen Gefallen getan. Tief in mir drinnen spürte ich ein scheußliches Brennen, aber ich lächelte so angestrengt, dass mir alle Gesichtsmuskeln wehtaten. Sicher, der Junge hatte was auf dem Kasten, aber er spielte doch nicht auf demselben Niveau wie Armstrong. Little Maestro? Armstrongs Trompete? Ich lächelte, lächelte, lächelte. Wenn das ganze Geschwätz überhaupt etwas bedeutete, dann, dass der Junge noch ein Stück Weg zu gehen hatte, bevor er jemals dort anlangte, wo Louis stand, als er West End Blues aufnahm.

    Ach, Delilah, süße Delilah. Süß wie Zitronensaft in einer Wunde.
    Die Toten rappeln sich nicht einfach auf und kommen ins Leben zurück, als ob wir nie um sie getrauert hätten. Ich fühlte mich elend und ausgehöhlt und dachte: Sid, lass es sein, das wird nicht wieder. Es wird nicht wieder so, wie es war.
    Später standen wir auf dem grauen Kopfsteinpflaster vor Armstrongs Hotel. Ich schaute hinab auf die engen Sträßchen von Montmartre und konnte kaum glauben, dass wir leibhaftig hier waren. Chip schlug mir auf die Schulter und rüttelte mich ein bisschen.
    »Hey, wach auf, Mann.« Er drückte mir einen Zettel in die
Hand. »Da steht ihre Adresse drauf. Du fährst zu ihrer Wohnung und lädst unsere Sachen aus.«
    »Zu welcher Wohnung?«, fragte ich.
    »Soll ich dir ihren Namen buchstabieren? Also, worauf wartest du?«
    »Oh, Scheiße.« Ich schüttelte den Kopf. »Wir wohnen bei ihr ? Das mach ich nicht, Mann, nein. Kommt nicht in Frage.«
    Eine Stunde später parkte ich Ernsts staubigen Horch am Straßenrand, wuchtete eine große Blechkiste aus dem Kofferraum und stellte sie mit Schwung auf dem Pflaster ab, dass es nur so schepperte. Als ich hochschaute, sah ich sie: Hinter trüben Fensterscheiben blickte sie mit ihren schwarzen Augen auf mich hinab.
    Es war ein heruntergekommenes altes Mietshaus. Die Haustür stand offen – jemand hatte einen Betonstein hingelegt, damit sie nicht zufiel. Ich schleppte die Blechkiste hinein. Schachbrettartig verlegte Bodenfliesen wiesen den Weg zu einem gepflasterten Innenhof und weiter zur Treppe. Steinerne Löwen hockten auf den Pfosten zu beiden Seiten. In einer Ecke des Hofs stand ein Brunnen ohne Wasser, das Becken voller Taubendreck. Ich schleppte die Kiste durch die kleine Eingangshalle und stellte sie ab. Die Wände waren gelb, überall blätterte Farbe ab. Ich lehnte mich an, um zu verschnaufen, als Delilah sich weiter oben über die Balustrade beugte und rief: »Hier ist es. Die zweite Tür links.«
    Ich sah finster hinauf. So war das also. Sie machte sich nicht mal die Mühe runterzukommen.
    »Wo ist Hiero?«, rief sie.
    Hiero, na klar.
    »Was?«, fragte sie.
    Ich zuckte die Achseln. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher