Spieltage
ging. »Es war keine Entscheidung pro Höher«, sagt Schmelzer. »Es ging uns nur ums Grundsätzliche: Wir konnten uns von den Spielern nicht Entscheidungen diktieren lassen. Der Heinz hat mich damals, ehrlich gesagt, genervt; ich war an dem Punkt zu sagen: Jetzt reicht’s. Er hätte ja auch mehr mit den Spielern reden können. Er hat immer den mündigen Spieler gesucht, von allen erwartet, dass sie funktionieren. Er hat nicht gemerkt, dass er sie durch sein Schweigen verunsicherte, durch sein Anschauen von der Seite.«
Dettmar Cramer, weiterhin Trainer bei Bayer Leverkusen, und Michael Meier, der Manager des 1. FC Köln, boten Heinz Höher zum Zeichen der Solidarität junge Leihspieler an, etwa einen 18-Jährigen, der in Köln bislang nur zu zwölf Bundesligaminuten gekommen war, Thomas Häßler hieß er. Doch während von allen Seiten Glückwünsche und Beistandsbekundungen eintrafen, spürte Heinz Höher, dass noch nichts überstanden war, sondern die wahre Probe erst begann. Wie würde er mit der blutjungen, auf das Mark reduzierten Mannschaft Erfolg haben?
Am Abend vor der nächsten Partie gegen Wattenscheid 09 spielten Heinz Höher und Gerd Schmelzer mit Dieter Reiber vom Aufsichtsrat im Trainingslager Skat. Sie reizten ohne Rücksicht auf mögliche Verluste, Kontra, sagte Gerd Schmelzer, Re, sagte Heinz Höher trotz schwachen Blatts, noch immer gepackt von diesem Fieber der Rebellionstage, als es möglich war, Angst und irrwitzige Euphorie gleichzeitig zu spüren.
9. Juni 1985
Nur eine Richtung: vorwärts
Heinz Höher wollte tief getroffen sein von der Rebellion, aber mit einigen Wochen Abstand musste er den Gedanken zulassen: Der Aufstand gegen ihn war das Beste, was ihm passieren konnte. Durch die Entlassungen der sechs etablierten Spieler hatte er die Mannschaft geschenkt bekommen, von der er immer geträumt hatte, ohne es zu wissen.
Sie zelebrierte ihre Jugend: Der 1. FC Nürnberg, der in den verbleibenden Monaten der Saison 1984/85 im Durchschnitt nicht älter als 22 wurde, spielte mit großem Esprit und kleinen Fehlern, es war junger Fußball im besten Sinne, mal gewagt, mal leichtsinnig, aber meistens von betörender Frische.
Heinz Höher gab ihnen die entsprechende Richtung: vorwärts! Seit er die Rebellion überlebt hatte, spürte er ein uneingeschränktes Vertrauen in das Glück. Er machte einen 19-Jährigen, Hansi Dorfner, zum Zentrum des wogenden Spiels, er berief den 23-jährigen Günter Güttler zum Kapitän, er gab dem 18-jährigen Schüler Stefan Reuter das Gefühl, unverzichtbar zu sein, und fragte sich, warum hast du dich das vorher nicht getraut? Auf einmal sah er klar, wie irrational es gewesen war, die Abseitsfalle mit den eher langsamen Innenverteidigern Horst Weyerich und Udo Horsmann zu spielen. Es war, als ob er aufgewacht war.
Er musste sich nicht ändern. Heinz Höher redete weiterhin lieber ein Wort zu wenig als eines zu viel. Was sich geändert hatte, waren die Zusammensetzung der Mannschaft und vor allem die Stimmung. Die jungen Spieler, lernbegierig und enthusiastisch von der eigenen Beförderung, stellten ihn nicht infrage. Und Niederlagen verzieh die Öffentlichkeit, verzieh die Mannschaft sich selbst angesichts ihrer Jugend, da wurde nicht reflexartig nach Fehlern beim Trainer gesucht.
Kurz vor dem ersten Spiel des jungen 1. FC Nürnberg in Aachen war Günter Güttler zu Heinz Höher gekommen. Vier Tage zuvor im Dolce Vita hatte Güttler genau wie alle anderen noch die Entlassung des Trainers für die Lösung gehalten. In Aachen, mit 23 plötzlich Heinz Höhers Kapitän und Libero, fragte Güttler: Trainer, was machen wir mit der Abseitsfalle?
Wir lassen sie besser weg, sagte Heinz Höher, er wollte den Spielern entgegenkommen.
Nein, wir spielen sie, sagte Güttler, und für Heinz Höher musste es wie eine Liebeserklärung klingen.
Zum Ende der Hinrunde im Dezember 1984 standen sie auf Platz acht, einen Rang schlechter als am 29. Oktober, als die Rebellion ausbrach. Doch während Platz sieben damals entsetzlich gewesen war, galt Rang acht nun als Standort mit schönen Aussichten. Die junge Elf brauche Zeit, sich zu entwickeln, sagte Heinz Höher im Dezember beim Besuch eines Fanklubs in der Rhön, diese Saison werde sie im Mittelmaß stecken bleiben. Aber nächstes Jahr spielten sie um den Bundesligaaufstieg mit.
Dann gewann der 1. FC Nürnberg die ersten fünf Spiele der Rückrunde.
Thomas Brunner, das weiße Trikot mit dem V-Ausschnitt betonte den blassen,
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