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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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er fragen. Thomas Middelhoff war Vorstandsmitglied der Bertelsmann AG. Zu Bertelsmann, einem der größten Medienkonzerne der Welt, gehörten neben dem Fernsehkanal RTL und Dutzenden Zeitschriften auch einige Buchverlage.
    Heinz Höher rief, wie von Franz Beckenbauer arrangiert, an einem Wochentag um zwölf bei Middelhoff im Büro an. Er war offenbar gerade in einer Sitzung, jedenfalls schien er nicht den ganzen Morgen auf den Anruf eines Fußballtrainers, der ein Kinderbuch geschrieben hatte, gewartet zu haben, das merkte Heinz Höher an Middelhoffs Stimme. Aber er bat Heinz Höher, ihm das Manuskript zu schicken. Er würde es an die richtige Stelle weiterleiten.
    Leider erreichte Heinz Höher einige Wochen später eine Absage des C. Bertelsmann Jugendbuchverlags. Er schickte das Manuskript auf eigene Faust an zwei weitere Verlage, auch dort ohne Erfolg. Und wenn er das Buch in Eigenregie veröffentlichte? Er erinnerte sich an einen Nürnberg-Fan, mit dem er in Trainingslagern gelegentlich Skat gespielt hatte, der war doch Setzer. Er machte den Mann ausfindig und ließ in dessen Druckerei sein Buch herstellen. Sein Neffe Bernd gestaltete das Titelbild, ein gezeichneter Hund schoss mit dem Hintern einen Fußball ins Tor, der schwarze Kater als Torwart streckte sich vergebens. Heinz Höher holte die Bücher persönlich in der Druckerei ab. Sein Werk sah edel aus, der glänzende Umschlag, das ungewöhnlich breite Format, er hatte es im Hardcover herstellen lassen. Das Taschenbuch konnte er dann schnell nachschieben, wenn die Hardcoverversion ausverkauft war. Er musste zweimal fahren, um alle Bücherkisten nach Hause zu bringen. Er hatte 5000 Exemplare drucken lassen. Es hatte ihn 15000 Mark gekostet.
    Er klapperte die Buchhandlungen persönlich ab. Guten Tag, sagte er, er sei Heinz Höher, der Fußballtrainer, er habe ein Kinderbuch geschrieben. Manche Buchhändler erröteten. Das sei aber unüblich, das eigene Buch vorbeizubringen. Na ja, er solle dann halt einmal zwanzig Exemplare dalassen und in zwei, drei Monaten zur Abrechnung vorbeikommen. Er fuhr mit seinen Büchern nach Leverkusen, Bochum und bis nach Sylt, um sie auszuliefern, sogar auf dem Weihnachtsmarkt in Nürnberg ließ er welche an einem Stand auslegen. Einzig die Buchhandlung Jakob am Hefnerplatz in Nürnberg lehnte seine Bücher ab. Selbstverlegte Autoren führten sie leider grundsätzlich nicht.
    Er lud die vier Nürnberger Sportredakteure, die immer über ihn berichtet hatten, zu einer Buchpräsentation ein. Am nächsten Morgen sah sein Sohn Thomas auf dem Weg in die Schule die Schlagzeile an den Zeitungskästen der Abendzeitung : Nie wieder Fußball – Heinz Höher schreibt jetzt Kinderbücher.
    Die Schulfreunde lachten. Thomas glaubte, im Gesicht rot anzulaufen. Sein Vater bat ihn, er solle doch einmal den Rektor fragen, ob er nicht zu einer Lesung an die Schule kommen könne. Niemals!, knurrte Thomas. Er war 17.
    Nachdem Heinz Höher das Buch ausgeliefert und der Nürnberger Presse präsentiert hatte, wurde es schlagartig still um das Werk. Im Januar 1993 klingelte die Frau vom Weihnachtsmarktstand an der Tür, um ihm seinen Erlös und die nicht verkauften Bücher zurückzubringen. Heinz Höher schämte sich, als er den Stapel Bücher entgegennahm. Er hatte doch keinen Grund, sich zu schämen, sagte er sich, aber das diffuse Gefühl einer Blamage blieb. Vermutlich war er die Sache mit dem Buch nicht besonders professionell angegangen. Er ging nie wieder in all die Buchläden, um seine Einnahmen und übrig gebliebenen Bücher abzuholen. In seinem Keller in der Elbinger Straße lagerten noch 4000 Tommo-Bücher.

Mitten in den Neunzigern
Die Bundesliga sagt, sie sei nun modern
    Nachdem er drei Jahre keine Arbeit in der Bundesliga gefunden hatte, beschloss Heinz Höher, ein ganz normaler Mensch zu werden. Er steckte morgens zwei belegte Brote und einen Fruchtjoghurt in seine Aktentasche. Er zog den Krawattenknoten fest und wünschte Doris einen schönen Tag. Er ließ sich, mit beinahe 55, bei der Immobiliengruppe Blumenauer zum Immobilienmakler ausbilden.
    Immobilien, glaubte er, interessierten ihn. In dem Geschäft war zumindest ansatzweise der Kitzel zu finden, den er im Profifußball oder beim Skat so genoss. Es wurde geblufft, gezockt; gespielt.
    Nachmittags, nach der Arbeit, stand er am Telefon und sprach mit Herrn Unger von der Deutschen Bank. Herr Unger beriet ihm im Aktiengeschäft. Heinz Höher kaufte nicht einfach Aktien, das wäre zu

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