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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Lockten die Bilder von ran sie in die Stadien? Suchten die Zuschauer den spannenden und spektakulären Fußball, den sie im Fernsehen sahen? Eine andere Erklärung war nicht in Sicht.
    Die Bundesliga sagte, sie sei nun modern. In Windeseile war der Slogan überall. Trainer priesen ihr Spiel als »modernen Fußball«, Sat. 1 lobte seine ran- Sendungen als Ausdruck des modernen Fußballs, Zeitungsreporter schrieben von Spielerberatern, Merchandisinggurus und VIP-Logen als Zeichen des modernen Fußballs, und einige Fans hissten im Stadion Banner »gegen den modernen Fußball«. Die Autofabrikdirektoren in den Logen und Spiele für das Fernsehen am Montagabend meinten sie wohl. Selbst die schwer beweglichen Fußballverbände wollten plötzlich zum modernen Fußball gehören. Die FIFA verbot dem Torwart, einen Rückpass in die Hände zu nehmen, und vergab für einen Sieg drei statt zwei Punkte, um das offensive Spiel zu stärken. Die UEFA gründete die Champions League. Und Heinz Höher veröffentlichte in der Welt am Sonntag einen Essay, wie der Fußball wirklich modern würde.
    Seit Jahren werde die Augen davor verschlossen, dass der Fußball – das Spiel an sich – nicht mehr zeitgemäß sei, schrieb er. »Action wollen die Leute haben. Doch was bieten wir ihnen im Fußball?« Ein Spiel, in dem die Defensive, das Zerstören, die Ödnis, längst die Oberhand über Spielwitz und Spektakel gewonnen habe. »Da werden dann in der Halbzeit Elefanten über die Aschenbahn geführt, da werfen fünfzig Glamour Girls ihre Röckchen hoch. Besser wird unser Spiel dadurch nicht. Wir brauchen Regeln, die den Taktierern und Maurern das Handwerk legen.« Reduziert die Mannschaften auf acht Akteure, das schaffe wieder Platz für die genialen Spieler, forderte Heinz Höher. Führt fliegende Spielerwechsel an der Mittellinie ein wie beim Eishockey. Beim dritten Rückpass gibt es Freistoß für den Gegner. Der Rückpass zum Torwart wird grundsätzlich verboten. Das Mauerbilden bei Freistößen wird untersagt; da steigt die Angst vor Freistößen, also gibt es weniger Fouls.
    Viele fanden seine Ideen klug, aber nach einem kurzen Blick auf seine Vorschläge raste der moderne Fußball weiter, und Heinz Höher blieb ohne Trainerjob zurück. Und, hat er schon was Neues?, fragten die Bekannten Doris, wenn sie mit dem Hund spazieren ging. Heinz Höher selbst fragte niemand. Die Angst, mit der Frage in eine Wunde zu stechen, war zu präsent.
    Mit all seiner Erfahrung in der schwierigen Kunst, seinen Vater zu interpretieren, kam Thomas zu der Überzeugung, dass das Interesse des Vaters für Fußball abflaute. Er studierte samstags in den Nürnberger Nachrichten die Immobilienanzeigen vor dem Sportteil, er gab Thomas seinen DFB-Trainerschein, damit der Sohn sich ins Frankenstadion schleichen konnte. Er selbst wolle da nicht mehr hin, sagte er.
    Heinz Höher stand samstags um 16 Uhr in Anzug und Krawatte in einem Einfamilienhaus in Wilhelmsdorf, die B8 von Nürnberg ein ganzes Stück hinaus, und wartete auf einen möglichen Käufer, der sich etwas verspätete. Heinz Höher hatte Zeit, aus dem Fenster zu schauen. Er versuchte, sich vom Bundesligafußball zu distanzieren, damit die eigene Abwesenheit nicht so schmerzte. Aber der Blick auf die Uhr ließ die Gedanken zwangsläufig 40 Kilometer nach Osten, auf die andere Seite von Nürnberg, wandern. Fünf nach vier. Jetzt spielte der Club im glänzenden Frankenstadion. Und du stehst hier in der Pampa und wartest auf irgendwen, der dieses öde Einfamilienhaus dann sowieso nicht kaufen will. Was bist du nur für eine arme Sau.
    In seinen vierzehn Monaten als Immobilienmakler verkaufte er vier Wohnungen. Zwei an Helmut Schmelzer, zwei an seinen Anwalt. Er begann, lieber selbst Häuser und Wohnungen zu kaufen.
    Auf dem Weg zum Gymnasium lief Thomas an den Zeitungskästen der Abendzeitung vorbei. Die Schulfreunde lachten. Thomas’ Gesicht lief rot an. Er war 18. Auf dem Werbeplakat der Zeitung am Kasten stand: Nie wieder Fußball – Heinz Höher wird Hotelier in Dresden.
    Sein Hotel Merian am Unschlittplatz lief, ohne dass er etwas tun musste. Aber er wollte ja etwas tun. Bei Immobilien Blumenauer sagte der Chef zu ihm, heute habe ich mit Ihrem Freund Gerd Schmelzer zu tun gehabt, ich habe ihm eine Immobilie in Dresden angeboten, er wollte sie aber nicht. Heinz Höher horchte auf. Er hatte gerade erst eine Villa mit Swimmingpool in Herzogenaurach für 750000 Mark erstanden und ein halbes Jahr später mit

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