Spieltage
bis Samstag. Sechs Tage hatte er in der Klinik verbracht. Die Fachärzte gaben an, dass eine Therapie zwei bis vier Wochen stationäre Behandlung erforderte. Sie konnten niemanden zu seinem Verbleib zwingen.
Wieder zu Hause, erklärte Heinz Höher seinem Sohn, Thomas müsse mit dem Rauchen aufhören. Mit Entschlossenheit sei jeder Sucht beizukommen. Er fühlte einen neuen Drang, eine neue Lebenskraft. Thomas sah ihn an und sagte nicht, was er dachte.
Heinz Höher wartete auf Nachrichten von einem Herrn Kett. Herr Kett interessierte sich für die Alte Reichskrone in Dresden-Heidenau. Wenn er das Hotel erst einmal los war, konnte er sich in Ruhe neu orientieren. Er war nicht zu Hause, als Herr Ketts Anwalt sich meldete. Herr Kett sei verstorben, berichtete der Anwalt Doris, Herzinfarkt.
Heinz Höher ertrug keine schlechten Nachrichten, er hatte noch nie schlechte Nachrichten ertragen, warum musste immer alle Welt mit schlechten Nachrichten zu ihm kommen, fluchte er innerlich. Er überlegte, hinter welchen Büchern, hinter welchen Kisten in der Garage er noch eine Schnapsflasche versteckt hatte. Er würde kontrolliert trinken, er hatte nicht vergessen, dass er mit Alkohol aufpassen musste, aber er war stark genug, kontrolliert zu trinken. Er legte jeden Sonntag fest, an welchen Tagen der Woche er sich gestattete zu trinken.
Es wurde schwierig, die Schulden für seine Immobilienprojekte regelmäßig zurückzuzahlen. Die Banken baten ihn in formellen Schreiben zu klärenden Gesprächen. Heinz Höher dachte nicht, wenn er die Schreiben, die Mahnungen weglegte, würden sich die Probleme von selbst lösen. Er sah bloß keine andere Lösung.
Und, hat er schon was Neues?, fragten die Freunde Thomas.
Heinz Höher wartete, dass der 1. FC Nürnberg ihn wieder rief. Er wusste, da gab es nichts zu warten, Gerd Schmelzers Rivale Michael A. Roth war als Präsident zurück und würde ihn, den Schmelzer-Trainer, niemals rufen. Er wartete wider besseres Wissen weiter. Der 1. FC Nürnberg stieg im Mai 1996 in die dritte Liga ab, jetzt musste doch selbst Roth an ihn denken, den Vater des stürmenden und drängenden Clubs. Oder wurde vielleicht Roth gestürzt und Gerd Schmelzer wieder ins Amt gehievt? Er wusste, es konnte nicht dazu kommen. Der Club war finanziell von Roth abhängig, und Schmelzers Name hatte gelitten, nachdem andeutungsweise zutage trat, welche Misswirtschaft in den späten Jahren seiner Amtszeit keimte. Schatzmeister Professor Dr. Dr. Böbel, der mit gefälschten Taxiquittungen angefangen hatte, hatte später elf Privatreisen nach Monte Carlo über den Club abgerechnet. Für eine der elf Reisen veranschlagte er 26800 Mark Spesen. Insgesamt hatte Böbel 700000 Mark unterschlagen. Er wurde zum Gesicht des ruinösen Gebarens beim Club. Da mit Böbel ein Sündenbock existierte, musste auch nicht tiefer gebohrt werden, was wie schiefgelaufen war. Der 1. FC Nürnberg, der laut Wirtschaftsprüfung 1989 schuldenfrei gewesen war, hatte drei Jahre später 23 Millionen Mark Schulden angehäuft.
Heinz Höher wartete trotz allem weiter auf den Ruf des Clubs. Er hatte ja sonst nichts zu tun.
Wenn er bloß etwas zu tun hätte, dann wäre es auch leichter, kontrolliert zu trinken, am besten nur ein Bier am Morgen, ein Bier und einen Klaren zum Mittag und ein paar Gläser am Abend, dann wäre er auf einer guten Bahn.
Die Bundesliga war immer noch seine Welt, und gleichzeitig gehörte er nicht mehr dazu. Zwischen diesen Extremen lebten Hunderte ehemaliger Spieler und Trainer jahrzehntelang, niemals ganz glücklich, aber auch nicht unglücklich genug, um sich ganz von diesem Kosmos zu lösen. Musste er sich auch auf dieses Leben in der nahen Ferne zur Bundesliga einstellen? Er dachte nicht darüber nach.
Er sah noch immer seine Spuren in der Bundesliga: Sein Parallelläufer Otto Rehhagel war nun der Trainer der Bundesliga, Europapokalsieger und deutscher Meister mit Werder Bremen. Auf Bundesligapressekonferenzen zitierte Rehhagel plötzlich Goethe und Schiller, er durfte Weisheiten verbreiten und Trends ausrufen, wie jenen, dass man Erfolg hauptsächlich mit Spielern über 30 erreiche. Auch wenn das eigentlich doch gar nicht zum modernen Fußball passte.
Außerhalb der Bundesliga wurde auf höchstem Niveau überall die Raumdeckung praktiziert, aber die Deutschen spielten weiter mit Libero und Manndeckern, das war das deutsche Spiel, diese nationalen Unterschiede würde es noch in hundert Jahren geben, die Italiener hatten ihre
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