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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Taktik, die Engländer ihr Tempo, aber die Deutschen hatten den Willen und die Führungsspieler. Beim Europameisterschaftssieg 1996 hatte es doch jeder gesehen. Matthias Sammer und Jürgen Klinsmann dominierten ein Team und rissen es mit.
    Auf dem Spielfeld, fernab von den Bildern, die ran schuf, sah Heinz Höher 1996 in der Bundesliga nichts, was er nicht schon 1989 gesehen hatte; er wollte den Ausdruck nicht in den Mund nehmen: zu seiner Zeit.
    Er sagte sich, ich warte nur auf einen Anruf, und war doch völlig überrascht, als ihn ein Freund im Oktober 1996 anrief. Dieter Reiber hatte etwas für ihn.

17. Oktober 1996
Die Chance
    Der letzte Kringel an seiner Unterschrift reckte sich schwungvoll nach oben. Als ob die Freude seine Hand geführt hätte. Heinz Höher blickte von dem Vertrag auf, den er beim VfB Lübeck unterschrieben hatte, und sagte zu einem der Männer aus dem Vorstand: Wenn ich das meinem Sohn erzähle.
    Jede Woche rief Thomas aus Kempten an, wo er an der Fachhochschule Betriebswirtschaft studierte, jede Woche fragte er die Mutter: Und, hat er was Neues? Endlich konnte Heinz Höher seinem Sohn antworten.
    Er sollte den VfB Lübeck vor dem Abstieg aus der Zweiten Bundesliga bewahren. Er hatte sieben Jahre auf eine neue Aufgabe als Trainer warten müssen.
    Im modernen Fußball sollten Scouts die Bundesligaklubs systematisch mit Spieler- und Trainertalenten versorgen. Gleichzeitig verpflichteten viele Vereine ihre Spieler oder Trainer in den späten Neunzigern noch immer so wie der VfB Lübeck Heinz Höher: Julius Rießen aus dem Wirtschaftsrat des VfB hatte im Urlaub einen Nürnberger Unternehmer kennengelernt, der den Trainer kannte, der den 1. FC Nürnberg einst von der Zweiten Liga in den UEFA-Pokal geführt hatte. Den müsst ihr nehmen, wenn ihr mal einen neuen Trainer braucht, sagte der Nürnberger Unternehmer Dieter Reiber zu Rießen.
    Julius Rießen war Landwirt in einem Dorf mit fünf Straßen, durch die der Wind von der Ostsee her blies. Er hatte sich auf Windkraftanlagen spezialisiert und kannte die Welt des Fußballs aus der Perspektive des langjährigen Obmanns beim Amateuroberligisten TSV Pansdorf. Er wirkte seit dreieinhalb Monaten beim VfB Lübeck. Als Mitte Oktober 1996 im Kicker zu lesen war, Lübecks Trainer Michael Lorkowski stehe vor dem Rauswurf, telefonierten Rießen und seine Nürnberger Urlaubsbekanntschaft Dieter Reiber. Am nächsten Tag flog Heinz Höher nach Lübeck. Der Vorsitzende des VfB-Wirtschaftsrats Günter Schütt, der Patriarch des Vereins, führte ihn zum Essen aus. Hoffentlich fällt ihm nicht auf, dass ich wenig esse und dafür schon das vierte Bier trinke, dachte sich Heinz Höher.
    Ja nu, sagte Günter Schütt, den die Freunde Molle riefen, morgen sei Mittwoch, also sowieso trainingsfrei, da werde er die Sache dem Wirtschaftsrat beibringen. Und dann könne Heinz Höher eigentlich am Donnerstag anfangen. »Ich werde hier nicht so lange rumfiedeln«, war ein Satz, den Molle Schütt gerne benutzte. Er führte den Verein wie sein Bauunternehmen im Selbstbewusstsein, dass er allein schon die richtigen Entscheidungen traf. Eine fußballerische Fachkraft wusste der VfB Lübeck nicht mehr in seinen Gremien, seit Manager Helmut Schulte den Klub im Sommer 1996 verlassen hatte.
    Heinz Höher musste den Mittwoch in Lübeck herumbringen. Tommo, der Held seines Kinderbuchs, ging in seiner Geschichte in Lübeck zur Schule. War das ein lustiger Zufall oder schon Schicksal, dass er nun in Tommos Stadt noch einmal eine unerwartete Chance bekam? Am Ende würde sich sein Kinderbuch doch noch verkaufen, wenn er erst einmal mit dem VfB Erfolg verzeichnete, konnte er es in Lübeck vermarkten. Er ging ins Fitnessstudio seines Lübecker Hotels, um auf dem Laufband zu joggen. Du könntest noch immer den 19-Jährigen davonlaufen, sagte er sich. Heinz Höher war 58. Die Freunde fanden, er drehe den Kopf seit einiger Zeit so langsam. Er trank noch ein paar Bier an der Hotelbar.
    Ab morgen durfte er keinen Alkohol mehr trinken. Wenn das Training begann, musste er fit sein, Lübeck war seine letzte Chance. Er hatte im zurückliegenden Jahr dreimal je sechs Wochen radikale Abstinenz geübt, er kontrollierte seinen Alkoholkonsum, er hatte sich am 1. Januar 1996 gesagt, bis zum 11. Februar trinke ich nichts, und das erste Bier hatte er dann erst wieder am 12. Februar aufgemacht. An den Tagen, an denen er keine Abstinenz übte, pendelte sein Alkohollevel durchgehend zwischen einer und 1,5

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