Spieltage
ihnen. Er fühlte sich ihnen grundsätzlich unterlegen. Obwohl er mit der Amateurnationalelf nicht gegen sie verloren hatte.
Im Gegensatz zum FA-Cup fehlte dem DFB-Pokal der Charme. Die Nationalsozialisten hatten ihn 1935 eingeführt, weil die englische Idee sie faszinierte, dass Amateurvereine einmal im Leben gegen die Großen spielten. Tschammer-Pokal hieß der Wettbewerb während der Nazijahre im Volksmund, nach seinem Gründer, dem Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten.
Nach dem Krieg wurde das Hakenkreuz von der Trophäe abgekratzt und durch eine DFB-Plakette ersetzt. Aber da die Endrunde der Deutschen Meisterschaft selbst im Modus der Knock-out-Spiele, des Alles oder Nichts an einem Abend, ausgetragen wurde, blieb der DFB-Pokal ein Anhängsel. Lieblos wurde er in den Terminkalender gequetscht, oft wurden alle Runden hintereinander in den Sommerferien, quasi als Saisonvorbereitungsspiele, ausgetragen. Zum Pokalfinale 1961 in Gelsenkirchen zwischen Werder Bremen und dem 1. FC Kaiserslautern mit Werner Liebrich als Letztem der Pfälzer Weltmeister von 1954 blieb das halbe Stadion leer.
Erst durch die Gründung der Bundesliga wurde der Pokal in Deutschland zum Leben erweckt. Fußball bekam durch die Bundesliga, verbunden mit der Verbreitung des Fernsehens, eine neue Wichtigkeit. Und der DFB-Pokal wurde so etwas wie der Ersatz für das verlorene Knock-out-System der deutschen Meisterschaftsendrunde: Hier, mittwochabends, wenn die Dunkelheit hereinbrach, zählte nur, was in diesem Moment geschah; es gab keine Tabelle, keine Punkte aus vorherigen Spielen, auf denen man sich ausruhen konnte, keine weiteren Partien für die Verlierer, um die Schmach zu korrigieren. Es gab nur den endgültigen Sieg, die absolute Niederlage an diesem einen Abend.
1967/68 hatte der VfL Bochum in den ersten Pokalrunden bereits einen Bundesligisten nach dem anderen gestürzt, den Karlsruher SC, den VfB Stuttgart, Borussia Mönchengladbach. Es war die Saison, als der VfL Bochum offenbarte, was für ein Wettbewerb der DFB-Pokal sein konnte.
Die Bayern logierten in einem Hotel namens Krummer Weg in Ratingen. Ihr Manager Robert Schwan machte sich Sorgen. Falls es Verlängerung gebe, erwischten sie vermutlich nicht mehr den reservierten Abendflug von Düsseldorf nach Hause, sagte er den vier mitgereisten Münchener Journalisten. Die Journalisten teilten Schwans Sorgen. Sie wohnten mit der Mannschaft im Hotel und würden nach dem Spiel im Mannschaftsbus direkt vom Stadion zum Flughafen mitfahren.
Für den FC Bayern war es die letzte Chance, 1968 noch eine Trophäe zu gewinnen. Eine Woche zuvor war er gegen den AC Mailand im Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger ausgeschieden, in der Bundesliga lag er nur auf Rang fünf. Vor drei Jahren hatten die Bayern noch in der zweitklassigen Regionalliga gespielt, und nun galt eine Jahresbilanz mit Halbfinal-Aus im Europacup und Bundesligarang fünf schon als Ernüchterung. Innerhalb kürzester Zeit waren sie zu einer Spitzenelf aufgestiegen, DFB-Pokalsieger 1966 und 1967, Europapokalsieger der Pokalsieger 1967. Ein Verein, der eine Handvoll außergewöhnlicher Begabungen in seiner Region fand, konnte im deutschen Fußball eine Ära begründen. Die Bayern entdeckten fast gleichzeitig Franz Beckenbauer und Georg Schwarzenbeck in München, Sepp Maier im Vorort Haar, Gerd Müller in Nördlingen und Bulle Roth in Kaufbeuren. Heinz Höher hatte schon vergessen, dass er fünf Jahre zuvor ein Angebot des FC Bayern versanden ließ.
Bei der Mannschaftsbesprechung sagte Bayerns jugoslawischer Trainer Tschik Cajkovski: »Kein krummer Weg heute, wollen geraden Weg ins Finale suchen.« Falls Cajkovski irgendwann die deutsche Sprache souverän beherrschen sollte, durfte er es niemals zu erkennen geben: Sein autodidaktisch erlerntes Deutsch, unter minimaler Anwendung der Artikel der, die, das, war ein unverzichtbarer Teil seiner Aura.
In der Umkleidekabine konnte Heinz Höher das Spiel schon hören. Die alte Tribüne polterte und murmelte, und als sie hinausgingen, kamen sie kaum auf den Fußballplatz. 32000 Zuschauer passten in das alte Stadion an der Castroper Straße. 41000 Karten waren verkauft worden. Gut 45000 Besucher drängten sich ins Stadion. Die Kinder saßen ganz vorne, 50 Zentimeter hinter den Außenlinien. Jemand hatte Hunderte weiße Pappschirme mit dem Aufdruck VfL verteilt, ein dünnes Gummi hielt den Pappschirm an der Kinderstirn.
Eine Handvoll Jugendliche verharrte noch auf dem
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