Spieltage
Freunde. Auch unter den anderen mittelständischen Kaufleuten der Stadtmitte war Stute hoch angesehen, solch ein rühriger und honoriger Mann. Im Gefühl, etwas für seine Stadt zu tun, führte Stute die Arminia. Doch nun drohte, kaum dass sie das erste Jahr in der Bundesliga spielten, schon wieder der Abstieg. Die Stadt hatte das Stadion extra mit zweieinhalb Millionen Mark aufgerüstet und der Arminia noch ein paar Hunderttausend, als Werbekosten getarnt, zugeschossen, damit der Fußballklub die ostwestfälische Kleinstadt in der ersten Riege der Republik etablierte. »Steigt mir bloß nicht gleich wieder ab«, hatte Oberbürgermeister Herbert Hinnendahl gesagt. »Ein Bundesligaverein ist wichtig für Bielefeld. Dadurch wächst das Image unserer Stadt.«
Was sollen wir bloß tun, fragte der Buchhändler Stute auf der Notsitzung im Frühling 1971. Trainer Egon Piechaczek wusste Rat. Sie mussten tun, was alle taten, sagte er: Spiele kaufen.
Das wurde das Mantra der Saison: Es machten doch alle.
Fußballmakler Schwab, von Trainer Piechaczek offensichtlich über die neueste Bielefelder Taktik unterrichtet, fuhr die Autobahntankstellen der Republik ab. Horst Gecks bestellte er an die Raststätte Medenbach an der A3 Frankfurt Richtung Köln.
Gecks, der acht Jahre zuvor mit Heinz Höher freundschaftlich um einen Platz am Flügel in Meiderichs Bundesligaelf gekämpft hatte, hatte sich endlich durchgerungen, seine Heimat zu verlassen. Er spielte nun für Kickers Offenbach.
Nahezu jedes Jahr hatte Gecks Angebote erhalten, Hannover 96 bot ihm 40000 Mark brutto im Jahr, in Nürnberg hatte er schon eine Mietwohnung zugesagt, um dort für den Club zu spielen. Jedes Mal sprang er im letzten Moment wieder ab. Er kam aus Meiderich, seine Frau aus dem Nachbarort Hamborn. 1965 waren sie in eine der neu erbauten Wohnungen für die Arbeiter der Phoenixhütte gezogen, die Miete betrug 150 Mark. Die Welt außerhalb Meiderichs schien ihnen fern und unbekannt.
Erst nach sechs Jahren in der Bundesliga rangen die Gecks sich durch zu gehen. Die Zuschauer in Meiderich hatten zu oft gepfiffen. Wenn der Pass kam und Horst Gecks spürte, der gegnerische Eisenfuß hinter ihm zielte wieder nur auf seine Achillessehne statt auf den Ball, sprang er hoch oder drehte sich weg, egal, ob der Ball dann verloren war. Das verstanden die Zuschauer nicht, bei Heinz Höher war es genauso gewesen, die Zuschauer kapierten nicht, dass er durchaus couragiert, aber nicht lebensmüde war. Wenn die Leute in Meiderich pfiffen, sollten sie halt sehen, wo der MSV ohne ihn blieb, fand Horst Gecks. So ging er nach Offenbach.
Schwab wartete schon an der Raststätte auf ihn.
Sie spielten ja am Samstag gegen Bielefeld. Horst Gecks könne sich 15000 Mark verdienen, wenn er durch ein paar gezielte Fehlpässe gewährleiste, dass die Arminia gewänne.
Horst Gecks fuhr einen gebrauchten VW Käfer, er arbeitete für 500 Mark im Monat jeden Morgen von neun bis halb eins als Sportartikelverkäufer im Kaufhof Offenbach, während die neuen, jungen Bundesligafußballer es selbstverständlich fanden, Profis zu sein. Horst Gecks sah nur Vorteile darin, nebenher noch zu arbeiten: Morgens trainierten die Kickers sowieso nicht, durch die Arbeit im Kaufhof hatte er die Miete schon wieder draußen, und die eine Jacke, die er sich im Winter zulegte, bekam er in der Modeabteilung mit ordentlichem Rabatt. Er sagte Raymond Schwab, so etwas mache er nicht.
Schwab akzeptierte, scheinbar gleichmütig. Als sich Gecks verabschiedete, sagte Schwab, er bleibe an der Tankstelle. Er treffe gleich noch zwei andere Offenbacher Spieler.
Das Spiel Offenbach gegen Bielefeld gilt bis heute als unbefleckt.
Offenbach gewann 5:0, mit einem herausragenden Horst Gecks.
Auf den Schwab konnten sie sich nicht verlassen, merkten sie bei Arminia Bielefeld. Sie schickten ihre eigenen Boten los; ihre eigenen Spieler. Jürgen Neumann brachte drei Fußballern des VfB Stuttgart 45000 Mark, Waldemar Slomiany übergab der Mannschaft von Schalke 40000 Mark. Bielefeld gewann beide Spiele 1:0. Für Arminias Präsident Stute ergab sich ein neues Problem: So zu siegen war nicht gerade billig. Wo sollte er das ganze Geld herkriegen?
Er erinnerte sich an einen Mann, der bei ihm Bücher kaufte. Der Bauunternehmer Rupert Schreiner war mit Aufträgen im Ostblock zu beachtlichem Wohlstand gelangt. Er interessierte sich nicht für Fußball. Stute besuchte ihn im hauseigenen Partykeller.
Schreiner dachte sich, wenn ich der
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