Spieltage
Arminia helfe, dann müssen doch später einige Bauaufträge für mich herausspringen, am Stadion, am Trainingsgelände. Jedenfalls rechtfertigte Schreiner sein Mitwirken später vor sich selbst mit diesem Gedanken.
Wirklich zu erklären aber war es nur mit der sehr menschlichen Neigung, bei gefühltem äußeren Druck gegen eigene Überzeugungen und den eigenen Verstand zu handeln. So schaltete ein emsiger Buchhändler sein Kaufmannshirn aus und verfeuerte für einen Fußballverein immer mehr Geld für Bestechungen. So gab der fußballuninteressierte Bauunternehmer Rupert Schreiner der Arminia nicht nur mehr als hunderttausend Mark, sondern sprang auch noch selbst als Geldbote ein.
Eine halbe Million Mark wendete Arminia Bielefeld für Bestechungen auf. Und niemand dachte mehr daran, dass mit diesem Geld – auf legale Weise für Spielerverpflichtungen eingesetzt – durchaus auch der Klassenerhalt hätte gelingen können.
»Schieber, Schieber!«, riefen die Zuschauer, als Schalke 04 sein Heimspiel gegen Bielefeld mit einigen lethargischen Abwehraktionen garnierte und 0:1 verlor. Aber rochen die Zuschauer wirklich etwas? Oder war »Schieber« einfach das übelste Schimpfwort, das ihnen angesichts der blassen Leistung ihrer Elf einfiel?
Das Spektakel ging unverdrossen weiter. Ein Kölner Friseursalon wurde zur Außenstelle des Skandals.
In der Aachener Straße 609 richtete Coiffeur Wolfgang Schmitz jenen die Haare, die in Köln als prominent galten oder gelten wollten. Je berühmter ein Kunde, desto bereitwilliger nannte Schmitz ihn seinen Freund. Manfred Manglitz und den Trainer von Eintracht Frankfurt, Erich Ribbeck, nannte er richtig gute Freunde.
Nachdem er miterlebt hatte, wie Manfred Manglitz’ Braut mal eben zwischen Waschen und Föhnen 25000 Mark in einem Kuvert vom Geschäftsführer der Offenbacher Kickers einsteckte, dachte sich Schmitz, da müsse doch auch etwas für ihn drin sein.
Sein richtig guter Freund Erich steckte mit Eintracht Frankfurt auch noch im Abstiegskampf. Und sein richtig guter Freund Manfred spielte am drittletzten Spieltag der Saison gegen Frankfurts Konkurrenten Oberhausen. Wenn der Manfred da dem Erich mit einem Sieg helfen würde? Das würde sich der Erich doch sicher auch was kosten lassen.
Darüber ließe sich reden, sagte Manglitz.
Für 22000 Mark garantiert euch der Manfred, dass Köln Oberhausen wegfegt, sagte der Friseur zu Ribbeck am Telefon. Ribbeck versprach, das Geld aufzutreiben.
20000 für Manglitz, 2000 als Provision für mich, rechnete Schmitz. Der Friseur war ganz aufgeregt. Er musste sein Wissen mit irgendjemandem teilen. Er weihte seinen guten Freund Peter Georg Friesdorf aus Opladen ein. Friesdorf versuchte sich mit Immobiliengeschäften irgendwie über Wasser zu halten. Also, wenn du mich fragst, dachte sich Manglitz, ich würde sagen: Der Friesdorf war ein Lutscher.
Einen Tag vor dem Spiel Köln gegen Oberhausen am 25. Mai 1971 bat der Friseur seinen Freund Friesdorf, mit zu einer Autobahntankstelle zu kommen, wo ihnen der Erich das Geld übergeben würde. Um das Treffen abzustimmen, rief Schmitz noch einmal Erich Ribbeck aus dem Friseurladen an.
Das mit dem Geld klappe doch nicht, sagte ihm der Erich. Sein Geldgeber habe kalte Füße bekommen.
Ja, sei er verrückt geworden, mit dem Manfred Manglitz sei schon alles geregelt, was würde der jetzt sagen, tobte der Friseur. Da stieß Friesdorf dem Friseur den Ellenbogen in die Rippen. »Oberhausen«, flüsterte Friesdorf. Schmitz verstand augenblicklich.
»Erich, wenn du nicht kannst, geht die Sache andersherum«, drohte der Friseur.
Als Schmitz aufgelegt hatte, ließ sich Friesdorf von der Auskunft die Nummer der Geschäftsstelle von Rot-Weiß Oberhausen geben. Oberhausens Präsident Peter Maaßen war nicht zu erreichen. Der Friseur nahm Friesdorf den Hörer aus der Hand. Es sei sehr dringend und sehr persönlich, sagte Schmitz, wann sei der Präsident zu sprechen?
Falls sie in etwa einer Stunde persönlich auf der Geschäftsstelle erscheinen könnten, wäre Herr Maaßen wohl zugegen.
Die Stunde wollten sie nutzen, um erst einmal mit dem Manfred zu reden.
Manfred Manglitz gefiel es nicht schlecht, dass die Boulevardpresse ihn mittlerweile »Cassius« rief. Großer Sportler, große Klappe, mit dem Selbstbild konnte er sich anfreunden. In den Sechzigern, als er noch für Meiderich spielte, hatten ihn in Schalke beim Aufwärmen die gegnerischen Fans verhöhnt. »Hopp, hopp, hopp, der Manglitz hat
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