Spieltage
fertig«.
Cañellas machte zwei Schritte in die eine Richtung – alles auffliegen zu lassen – und einen Schritt in die andere – sich den Klassenerhalt zu ermogeln. Quälte Cañellas ein Rest Anstand, war er im Innersten zu redlich, um bei der Bestechung skrupellos mitzuspielen? Oder hatte er das Gefühl, dass er gegen die Oberhausener und Bielefelder auf dem Spielfeld des Geldes sowieso nur verlieren würde? War er gerissen oder überfordert? Oder beides?
Was Cañellas auch tat, er hatte das Gefühl, er bekäme keine Hilfe, keinen Leitfaden; er war allein.
Er hatte Bundestrainer Helmut Schön angerufen, vorgeblich um ihn um Overaths Telefonnummer zu bitten. Gleichzeitig informierte er den Bundestrainer über die Absichten von Manglitz und den Hertha-Spielern.
Ach du lieber Gott, rief Schön und versprach, Herthas Trainer Helmut Kronsbein über die Absichten seiner Elf ins Bild zu setzen.
Später am Tag rief Schön noch einmal bei Cañellas an. Er möge ihn da bitte aus dem Spiel lassen, sagte Schön, er habe eine Reputation zu verlieren.
Cañellas rief beim DFB den Referenten für die Bundesliga, Wilfried Straub, an.
Straub war bestürzt. Er bat aber – nach Cañellas Darstellung – darum, erst einmal den letzten Spieltag abzuwarten. Straub bestreitet, Cañellas diesen Rat gegeben zu haben.
Am Donnerstag, zwei Tage vor dem letzten Spieltag, wollte Manfred Manglitz nicht mehr mitspielen. Die Sache war ihm zu heiß, zu viele unterschiedliche Interessen, zu viele Leute, die schon mitquatschten, und dass Overath ihn angepfiffen hatte, machte ihm zu schaffen. Auch wenn Manfred Manglitz ungern zugab, dass ihm irgendetwas zu schaffen machte.
Overath führte den 1. FC Köln in stiller Herrschaft. Es war die Macht des besten Spielers. In nahezu jedem Verein gab es ihn, Beckenbauer bei Bayern München, Seeler beim Hamburger SV, Grabowski bei Eintracht Frankfurt, Heinz Höher um 1960 bei Bayer 04 Leverkusen. Der beste Spieler forderte wenig laut, er entschied vordergründig nicht viel; er erhob seine Stimme in einer Ecke des Kabinengangs, wenn ihm etwas nicht passte. Dann wurde die Angelegenheit nach seinen Wünschen korrigiert, sei es, dass die Mannschaft vor einem Spiel einmal nicht ins Hotel wollte oder der beste Spieler fand, dass der Trainer zu gehen habe.
Overath trug 1971 schon lange Haare und Koteletten, die Insignien der Studentenbewegung. Oft wurde das lange Haar bei Fußballern wie Günter Netzer in Mönchengladbach als Zeichen der Rebellion interpretiert, dabei trugen Bundesligafußballer ihr Haar allein aus modischen Gründen lang. Aber bei Overath, dem Nationalspieler, dem Chef von Köln, verstärkte die Frisur den richtigen Eindruck: Wenn er rannte, passte und das Haar wehte, hatte das etwas Majestätisches. Mit ihm wollte sich Manfred Manglitz nicht anlegen.
Er würde gegen Offenbach nicht spielen, sagte er sich. Gleichzeitig verhandelte er weiter mit Cañellas.
Am Freitagabend um 18 Uhr, einen Tag vor dem letzten Spieltag, trafen sich Horst-Gregorio Cañellas und der Offenbacher Geschäftsführer Willi Konrad mit Manfred Manglitz an einer Autobahnraststätte am Bonner Verteiler.
Zur Erkennung hatten sie sich am Telefon über ihre Autos ausgetauscht:
F-CA 70 sei sein Nummernschild, sagte Cañellas.
In einem mittelblauen Mercedes 250 SE mit Grevenbroicher Kennzeichen, GV, sitze er, sagte Manglitz.
Cañellas und Konrad stiegen nicht aus. Der Torwart eilte zu ihnen in den Wagen.
Manfred Manglitz wollte die 100000 Mark sehen und anfassen.
Was für ein kleines Bündel so viel Geld doch war, durchfuhr es ihn.
Er müsse das Geld mitnehmen und den anderen zeigen, sagte Manglitz.
Das gehe nicht, sagte Cañellas.
Manfred Manglitz, der nicht selbst spielen wollte, weil ihm die Sache zu heiß war, und Horst-Gregorio Cañellas, der allerlei Vorbereitungen getroffen hatte, um die ganze große Schmiererei auffliegen zu lassen, diskutierten vehement darüber, wie sie das Geld bei einem Offenbacher Sieg übergeben würden.
Manglitz’ Braut würde im Stadion neben Konrad sitzen, einigten sie sich. Cañellas gab dem Kölner Torhüter eine Eintrittskarte für das Spiel im Kölner Stadion, damit seine Braut bei den Offenbacher Gästen sitzen konnte.
Am Abend rief ein Herr Hagen im Hotel Schloss Auel an und verlangte Herrn Cañellas zu sprechen, der mit der Delegation von Kickers Offenbach vor dem Spiel in Köln dort nächtigte.
Herr Cañellas, ich kann dafür sorgen, dass die Kickers morgen gewinnen,
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