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Spieltrieb: Roman

Spieltrieb: Roman

Titel: Spieltrieb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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seine Gürtelschnalle öffnete, umfasste er ihre Handgelenke und versuchte, sie daran in die Höhe zu ziehen. Nicht, nein, Ada, bitte nicht. Sie hatte gewusst, dass sie stärker sein würde als er, sie war wütend, und er wehrte sich nur mit halber Kraft. Als sie die Hose offen hatte, ließ er die Arme sinken, legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Zimmerdecke, wo es absolut nichts zu sehen gab. Sie zog ihm Jeans und Unterhose in einer dicken Rolle zu den Fußknöcheln hinunter. Alles war an seinem Platz. Weniger lang als im Film, das hatte sie erwartet, dafür von überraschendem Umfang. Ada brachte ihn mit einer Hand in die richtige Position, holte Luft und entspannte die Kehle, während sie ihn so weit wie möglich in den Mund schob. Er füllte den Rachenraum aus, stieß ihr hinten an den Gaumen, so dass sie den Kopf ein wenig heben musste, um Luft zu bekommen und ihn nicht mit den Zähnen zu verletzen. Es war nicht unangenehm. Er war sehr warm. Sie würde die Sache ohne Probleme erledigen.
    Es blieb wenig Zeit, darüber nachzudenken. Plötzlich klatschten seine Hände hart gegen ihre Stirn, er schob sie von sich und zog sich zurück, und als er seinen Schwanz gerade aus ihrem Mund herausgebracht hatte, spritzte er ab und traf sie mitten ins Gesicht. Es war ihr nicht gelungen, die Hände rechtzeitig hochzunehmen. Sie hielt die Augen geschlossen, während ihr sein Sperma von der Stirn und über die linke Wange lief, und tastete blind nach ihrem T-Shirt, um sich damit abzuwischen. Als sie die Augen wieder öffnete, kauerte Olaf neben ihr, seine Lippen und Kiefer bewegten sich, als ob er stumm ein widerspenstiges Knorpelstück zerkaute. Er nahm ihr das T-Shirt aus den Händen, wollte mit einem Zipfel ihren Mund betupfen und ließ es gleich wieder fallen. Er sprang auf und wäre fast gestürzt, während er Hose und Unterhose hochzog und gleichzeitig zu laufen begann. Sich mit beiden Händen den Gürtel schließend, verließ er das Zimmer wie ein Mann, der in aller Eile einen Klogang beendet.
    Ada überlegte noch, wie sie mit schmutzigem T-Shirt und verschmiertem Gesicht ungesehen über den Flur ins Badezimmer gelangen sollte, als Rocket den Kopf zur Tür hereinschob. Er sah sie am Boden sitzen, erstarrte und trat schnell ein.
    »Manometer«, sagte er anerkennend. »Zieh dir was über.«
    »Er hat mich voll gespritzt«, sagte Ada, ihr T-Shirt wie ein corpus delicti in die Luft hebend. Rocket lachte.
    »Das hätte ich unserem Kleinen gar nicht zugetraut.«
    »Es war keine Absicht.«
    »Verstehe.« Er dachte kurz nach, verschwand und kehrte gleich darauf zurück. Vom Türrahmen aus warf er Ada ein dunkles Kleidungsstück zu.
    »Nimm das. Ein paar der Chicken tragen immer gleich mehrere übereinander.«
    Ada entwirrte das Trägerhemd und zog es über. Rocket wartete, bis sie einigermaßen verhüllt war, fasste ihr Kinn mit einer kräftigen Linken, spuckte auf den Ärmel seines Hemds und rieb ihr Wangen und Mundwinkel wie eine Mutter, die das Gesicht des Kindes von Schokoladenresten befreit. Dann legte er ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie an sich.
    »Das ist ein dummer Junge«, sagte er. »Ein verdammt dummer Junge.«
    Sie verließen gemeinsam das Zimmer. Von Olaf keine Spur. Die Party störte sich nicht an der Abwesenheit des Geburtstagskinds. Als Rocket ihr den Gummischlauch seines Plastikeimers reichte, öffnete Ada die Lippen und nahm ein paar tiefe Züge. Das Adrenalin verflüchtigte sich, die Schleusen waren leer, das Ereignis lag mehr als fünf Minuten zurück und gehörte damit jenen Bereichen der Vergangenheit an, mit denen man sich nicht weiter beschäftigen musste.
    Als eine der Letzten verließ Ada das Geburtstagsfest. Der Mond steckte im Himmel fest wie ein Stück Falschgeld im Zigarettenautomaten, oxidierte in Minutenschnelle und war plötzlich verschwunden, heruntergebröselt oder doch noch vom Nachthimmel geschluckt. Hatte sie das wirklich gesehen? Wie ein Stück Falschgeld im Zigarettenautomaten. Das wollte sie >An Selma< ins Buch schreiben, wenn sie es bis zum Morgen behalten konnte.
    Es roch nach nächtlichem Regen. Ein Müllwagen bog um die Ecke und trank Mülltonnen auf ex. Hinter dem Dächerhorizont dämmerte es. Ada ahnte, dass Olafs Gesicht sie nicht schlafen lassen würde.
    Die Füße zwischen die Streben des Geländers setzend, hangelte sie sich an der Wendeltreppe ins obere Stockwerk, um das Knacken der Stufen zu vermeiden. Sicher war die Mutter ohnehin wach und seit Stunden

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