Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
unauffälligen Blick auf seine Armbanduhr. »Nach dem Gespräch mit den Keisers muss ich noch mal los.«
»Los?«
»Arzttermin. Es war nicht möglich, ihn anders zu legen. Tut mir leid.«
»Blödsinn, Albrecht! Das muss dir nicht leid tun. Gesundheit geht vor. Ruf mich an, ja?«
Skorubski nickte zurückhaltend.
Das wäre vielleicht nicht möglich – aber er hielt es für besser, dem Freund das noch nicht zu erzählen.
»Siehst du? Dort vorn wird es sein«, lenkte er ab.
Das Grundstück der Keisers war von einer mannshohen, dichten Buchsbaumhecke umgeben, am eindrucksvoll schweren Holztor fand sich ein Briefkasten mit Namensschild. Einen Klingelknopf suchten sie allerdings vergebens.
»Offensichtlich geht man einfach hinein.«
»Oder sie bekommen nie Besuch und brauchen deshalb keine Klingel. Es könnte auch einen Sensor geben, der ins Haus meldet, wenn jemand durch das Tor kommt«, spekulierte Skorubski.
»Du guckst zu viel fern«, tadelte Nachtigall und probierte die Klinke. Geräuschlos schwang das Tor zur Seite.
»So ein imposantes Ding und dann ist es noch nicht einmal abgeschlossen!«
»Wer weiß, vielleicht besitzen sie eine Kunstsammlung. Abends wird sicher alles verriegelt!«
Als das Tor leise hinter ihnen ins Schloss klickte, hörte Nachtigall ein sonderbares Geräusch, einem Brummen nicht unähnlich. Erst nach einem weiteren Schritt auf das gelb gestrichene Häuschen zu identifizierte er es als Knurren. Floh! An den Hund hatte er überhaupt nicht mehr gedacht!
Gerade wollte er sich umdrehen, um Skorubski zu warnen, da war der Hund auch schon bei ihm und legte ihm von hinten seine Vorderpfoten schwer auf die Schultern, blies ihm seinen heißen, nach einer Fleischmahlzeit stinkenden Atem am Ohr vorbei direkt ins Gesicht.
Im Zeitlupentempo drehte Nachtigall seinen Oberkörper und sah direkt in zwei braune Augen, die ihn aus struppigem Fell heraus unfreundlich taxierten.
»Guter Hund, Floh!«, versuchte er es mit basaler Kommunikationsstrategie.
Floh schien das nicht zu gefallen. Das Knurren wurde tiefer und drohender. Nachtigall versuchte, nicht auf die beeindruckend gefährlichen Zähne zu starren. Hinter sich hörte er Skorubskis Keuchen und ein metallisches Klicken.
»Albrecht! Steck bloß die Waffe wieder weg. Mach keinen Unsinn!« Sie konnten doch nicht den geliebten Hund der Familie durch einen Schuss womöglich verletzen und ihnen dann auch noch die schrecklichen Umstände des Todes von Roland erzählen. Es musste eine andere Lösung geben.
Der Hund sah eindeutig nicht freundlich aus. Das war klar. Für eine Missinterpretation seines Gesichtsausdrucks bestand kein Spielraum.
»Nun, du hast mich gestellt. Das ist sicher deine Aufgabe und du hast sie gut erfüllt. Vielleicht sagst du deinem Herrchen Bescheid, dass Besuch gekommen ist.«
Floh dachte gar nicht daran. Er zog die Lefzen zurück. Für einen Moment sah es aus wie ein diabolisches Grinsen. Tiefrote Schleimhaut in schwarzgrau meliertem Fell und eindrucksvolle weiße, spitze Zähne.
Nachtigall brach der Schweiß aus. Tröpfchen lösten sich am Haaransatz und liefen in dünnen Rinnsalen in seine Augen. Er blinzelte.
Selbst seine Hose klebte an der Rückseite der Oberschenkel. Das Gewicht des Tieres lastete schwer auf seinen Schultern. Floh grollte.
›Hauptkommissar von schwarzer Bestie zerfleischt‹, flackerte die Schlagzeile der morgigen Ausgabe der Zeitung durch seine Gedanken.
»Wenn du die lebende Klingel bist, solltest du jemanden informieren.«
Nun schien Floh verstanden zu haben, was von ihm erwartet wurde. Er bellte!
Der ganze Körper des riesigen Irischen Wolfshundes arbeitete an diesem lauten, rauen Geräusch mit.
In Nachtigalls Ohren klang es wie eine allerletzte Warnung. Tief konnte er dem Tier in den Rachen sehen, stellte sich vor, wie der Kopf jetzt gleich vorruckte und die unglaublichen Zähne sich in sein Gesicht und seine Kehle verbissen. Seine Knie wurden schwammig.
»Peter, wenigstens einen Warnschuss.«
Der Kopf des Hundes flog herum. Die Tür zur Datscha ging auf. »Floh! Lass den Quatsch!«
Sofort stieß das Tier sich ab und trollte sich in entspanntem Trab, ohne sein Opfer noch eines Blickes zu würdigen.
Nachtigall klopfte sich mit einer Gleichgültigkeit, die er nicht empfand, die Hundespuren von seiner schwarzen Kleidung. Dabei ließ er sich viel Zeit, um seinem rasenden Puls eine Chance zu geben, sich zu beruhigen.
»Wer sind Sie eigentlich? Sie können doch nicht einfach
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