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Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Titel: Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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aufgefallen, was für ein mieser Typ Andy war? Ein Schönwetterlover! Einer für Sonnenschein eben, der sofort den Schwanz einklemmte, wenn mal ein Gewitter am Horizont heraufzog. Und wenn es ein echter Wirbelsturm zu werden drohte, ließ er sie auch noch allein mitten im Hurrikan zurück.
    Ihre Mutter würde einen schrecklichen Aufstand machen. Vorwürfe, Androhungen von Konsequenzen, sie würde schreien, zetern und am Ende ihr allein die Schuld an allem geben. Wie so oft. Vielleicht muss es ja noch nicht an diesem Wochenende sein, dachte sie auf einmal und ihre Stimmung hellte sich spontan auf. Zu sehen war auch noch nichts. Ein Geständnis kann ich auch später noch ablegen, kein Grund zur Eile. Wer weiß schon, was passieren wird? Andy kann seine Meinung noch ändern.
    Wegmachen!
    Was für ein Wort. Abscheulich. Wegmachen!
    Aber auf der anderen Seite, was zum Henker sollte sie mit einem Kind? Wenn sie jetzt entschlossen genug handelte, konnte sie ihre Karriere so vorantreiben, wie sie es sich vorgestellt hatte. Nach einer Abtreibung wäre das Leben wieder einfach. Andy konnte sie ja erzählen, es sei falscher Alarm gewesen. Und beim nächsten Mal würde sie eben besser aufpassen.
    Nein, dachte sie bitter, es wird kein nächstes Mal geben. Andy war ihr fremd geworden.
    Und mit ihrer Sportlerkarriere war es vorbei. Schluss und aus, bevor sie richtig angefangen hatte.
    Am besten beichtete sie doch sofort, auch wenn das ganze Wochenende nur ein einziger Krampf würde. Keine angenehme Aussicht. Ihre Entscheidung stand fest – und sie hatte nicht die Absicht, sich zu irgendetwas anderem überreden zu lassen.
    »Fertig zum Training!«, schallte der Ruf durchs Haus.
    Das konnte sie jetzt auch vergessen.
    Mit einem Baby im Bauch konnte man doch unmöglich auflaufen!
     
    Manuela musterte kritisch ihr blasses Gesicht im Spiegel.
    Mit dem linken Zeigefinger zog sie leicht das Unterlid hinunter. Alles in Ordnung. Dieses unangenehme, ständige Brennen in den Augen kam also wohl nicht von einer Infektion.
    Eine verschleppte Erkältung schied damit aus. Ihre Mutter würde schon wissen, was zu tun war. Die junge Frau seufzte. Dieser Satz, der gebetsmühlenartig in ihrem Kopf rumorte, wurde dadurch, dass sie ihn ständig parat hatte, auch nicht wahrer. Hauptsache war erstmal, dass beim Training niemandem etwas auffiel. Einen spürbaren Leistungsabfall konnte sie sich im Augenblick auf keinen Fall leisten.
    Nachdenklich betrachtete sie die bunten Pillen in ihrer Rechten. Vitamine.
    Weil der Leistungssport den Stoffwechsel steigerte, hatte Andy erklärt. So viel Obst und Gemüse könne man gar nicht essen, um den Bedarf zu decken. Vitamine der B-Gruppe waren auch dabei, die sollten die Nerven stärken, für bessere Leistung und größere Ausdauer. Allein um die ausreichende Zufuhr dieser Vitamine zu gewährleisten, müsste sie jeden Tag Berge von Joghurt, Quark und Käse verputzen. Grauenhafte Vorstellung! Manuela warf sich die Pillen in den Mund.
    Spülte mit Wasser alles runter. Sie hasste Joghurt!
    Eigentlich hatte sie erwartet, neben der Vitaminration eine Nachricht von Andy zu finden. Eine, die bewies, dass es ihm leid tat. Eine deutliche Entschuldigung für die Beleidigungen und die Ohrfeige.
    Aber nichts! Nur die Tabletten.
    »Manuela, du bist eine blöde Kuh!«, verriet sie ihrem Spiegelbild und lief auf den Gang hinaus. Fast wäre sie mit Sibille zusammengestoßen.
    Von gegenüber. Die warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Mensch, Manu! Stimmt mit dir was nicht? Du siehst total beschissen aus!«
    Prima, dachte Manuela, der Tag fängt ja richtig gut an!
     
    »Hier ist die Akte!« Michael Wiener erwartete die Kollegen schon ungeduldig. »Vermisstenanzeige haben die Eltern gestellt. Ein Oberleutnant Lutter hat den Fall bearbeitet. Ich hab’ scho mal recherchiert. Nach der Wende ist er ausgewandert. Er lebt jetzt in Kanada.«
    »Damit ist schon mal klar, dass es schwierig wird, ihn zu befragen. Zeitverschiebung. Wahrscheinlich erinnert er sich auch gar nicht mehr an den Fall. Hoffen wir, dass von den anderen Beteiligten noch einige hier in der Gegend wohnen!« Nachtigall wies auf Wieners Schreibtisch. »Ganz schön dick, die Akte.«
    »Na ja, Republikflucht war ja immerhin kein Kavaliersdelikt«, meinte der junge Kollege.
    »Ungesetzlicher Grenzübertritt hieß das. Wer erwischt wurde, saß ein. Zum Beispiel in Hohenschönhausen. Und nicht nur er selbst, auch Eltern und Geschwister gerieten durch solch eine Flucht oder

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