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Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Titel: Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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gesprochen, die DDR heimlich zu verlassen.«
    »Ja.« Zobel blieb einsilbig, schloss für einen Moment die Augen, als müsse er sich das Bild von Roland ins Gedächtnis rufen. Offensichtlich sah er keine Veranlassung, Informationen preiszugeben, bevor der Besucher alle Karten auf den Tisch gelegt hatte.
    »Außer Ihnen hat niemand in Keisers Umfeld über solch ein Vorhaben berichtet.«
    »Und?«
    »Das wundert mich.«
    »Mich nicht«, antwortete Zobel tieftraurig.
    »Warum nicht?«
    »Wir waren Freunde!«
    Unvermittelt sprang Zobel auf, drehte sich um, trat summend an eine der Pappkisten heran und zog eine Flasche heraus. »Möchten Sie auch einen Schluck?«, fragte er, schüttelte prüfend die Flasche. Ohne die Antwort des Kommissars abzuwarten, griff er nach zwei Cocktailgläsern und schenkte großzügig ein. Die Gläser in der Hand und die Flasche unter dem Arm, kehrte er zu Nachtigall zurück, angelte mit dem Fuß einen dreibeinigen Hocker heran und stellte alles darauf ab. Zufrieden ächzend nahm er wieder auf seiner Kiste Platz.
    »Warum fragen Sie das eigentlich alles?«
    »Roland hat den Bereich Cottbus nie verlassen.«
    »Aha. Er ist also wieder da. Schön!«
    »Er war nie weg«, korrigierte Nachtigall.
    Zobel kippte den Inhalt seines Glases in einem Zug hinunter. Gin, registrierte der Hauptkommissar.
    »Scheiße! Also hat er uns an der Nase herumgeführt? Wir machen uns Sorgen und Roland Keiser klebt sich mal eben einen falschen Bart an? Wohnt zwei Blocks weiter bei einer seiner Frauen? Guckt zu, wie wir nach ihm suchen?«, tobte Zobel mit einem Mal unbeherrscht.
    »Nein.« Nachtigall war überrascht. Bei seiner Ankunft hatte er nicht das Gefühl gehabt, Zobel sei angetrunken. Keine Fahne, nicht einmal eine leichte. Und nun musste er sich fragen, wie viel Gin der Zeuge sich schon gegönnt hatte, nüchtern schien er jedenfalls nicht mehr zu sein.
    »Wir haben seine Leiche gefunden. Er wurde vor 20 Jahren ermordet.«
    Ronny Zobel riss seine Augen so weit auf, dass Nachtigall den Eindruck hatte, sie quollen förmlich aus den Höhlen. »Tot? Ermordet?«
    »Ja.«
    »Na toll! Alle verlassen mich!«, jammerte der Mann plötzlich. »Vor drei Wochen wurde mein Kater Felix überfahren. Natürlich hat sich keiner gemeldet! Fahrerflucht! Felix, der Glückliche! Ha! Meine Frau ist letzte Woche einfach abgehauen. Krissie hat sie mitgenommen! Und heute ist auch noch der Hund weggelaufen. Gaudeum. Er ist sicher meiner Frau hinterher. Ich sitze nun ganz allein in diesem Haus, das für uns alle ein fröhliches Zuhause werden sollte. Sie geht nicht einmal ans Handy! Für Hinz und Kunz ist sie jederzeit erreichbar – nur ihr Mann, der versucht es vergeblich.« Zobel leerte das zweite Glas, stürzte den Inhalt hinunter, ehe der Hauptkommissar es verhindern konnte. Dann rutschte er von der Kiste, zog die Knie an und presste seine Stirn fest dagegen. Er begann leise zu schluchzen. »Und nun stellt sich raus, Roland, von dem ich immer dachte, er habe sein Leben in den Griff gekriegt, ist schon immer tot! Und diese Scheißpillen wirken auch nicht! Alles geht schief. Wirklich alles!«
    »Welche Pillen?« Nachtigall schoss alarmiert von der Couch hoch und kniete sich neben den Verzweifelten.
    »Diese kleinen weißen. Sie hätten wirken sollen!«
    »Wie hießen die Tabletten?«
    Zobel antwortete nicht. Er schluchzte hemmungslos.
    Wimmerte, schniefte, weinte.
    Nachtigall kontrollierte die Flasche. Bis auf einen Fingerbreit leer. »Hier Nachtigall«, informierte er die Rettungsleitstelle. »Ich brauche einen Rettungswagen in die Grötzscherstraße, Gallinchen. Ronny Zobel. Verdacht auf Alkohol- und Medikamentenvergiftung.«
    Während er auf den Notarzt wartete, redete er beruhigend auf Zobel ein. Kam dieser Mann als Mörder infrage oder war er wirklich davon überzeugt gewesen, sein Freund Roland habe es im Westen geschafft, ein neues Leben anzufangen?
     
    »Ich kann nicht nach Hause gehen? Das meinen Sie doch nicht im Ernst?«
    »Aber natürlich ist das mein Ernst. Wir haben jetzt zwei befundete Aufnahmen, die den Verdacht erhärten, bei Ihnen könnte eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen. Sechs Kilo Gewichtsverlust, Nachtschweiß, anhaltende Müdigkeit – das nennt man, zusammengenommen, eine ausgeprägte B-Symptomatik. Das bedeutet, Ihre Grunderkrankung verursacht bereits Störungen in anderen Bereichen«, erklärte der Arzt ausführlich.
    »Und meine Arbeit? Sie wissen doch, dass ich bei der Kriminalpolizei bin. Meine

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