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Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall

Titel: Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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eingeschränkt war. Auch Besuche hatte er in der Zeit relativ wenig. Ein paar Freunde hin und wieder.«
    »Alltag? Wie sah der aus?«
    »Morgens schlief er noch, wenn ich zur Arbeit ging. Personalabteilung TKC – Textilkombinat. Gegen Nachmittag kam ich nach Hause, in der Regel in eine leere Wohnung. Roland erschien erst spät. Manchmal haben wir gemeinsam etwas gekocht, oft hat auch jeder für sich zu Abend gegessen. Wenn er die ganze Woche über in Potsdam war, gab es ohnehin nur am Wochenende Berührungspunkte. Als er noch gesund war, ging er gern aus, traf Freunde, oft auch Mädchen. Manchmal brachte er die jungen Damen auch mit hierher. Aber zu Gesicht bekommen habe ich nie eine«, betonte Schneider mit erhobenem Zeigefinger. »Als er krank wurde, traf ihn das tief. Er empfand es als ungerecht, fürchtete um seinen Sport. Aber als er die Ausbildung zum Trainer machen konnte, fasste er neuen Mut. Eigentlich hätte nun alles ruhig seinen Gang gehen können, aber dann kam der erneute Rückschlag. Der Sturz. Die OP.« Schneider sah Nachtigall offen ins Gesicht. »Roland wusste vom ersten Tag an über meine Funktion Bescheid. Ich habe ihm nichts vorgemacht und er war nicht dumm genug zu glauben, all die Wunder, wie zum Beispiel die eigene Wohnung, fügten sich von selbst. Es mag Ihnen ja unwahrscheinlich vorkommen: Auf dieser Basis entwickelte sich tatsächlich ein Vertrauensverhältnis.«
    Nachtigall blieb skeptisch. Ein Vertrauensverhältnis, das darauf gründete, dass einer nichts von den Wünschen und Plänen des anderen wissen durfte, erschien ihm unrealistisch. Um eine Grundsatzdiskussion zu vermeiden, behielt er diese Überlegungen für sich und fragte stattdessen weiter. »Und an jenem Tag? Was war anders?«
    »Nichts. Nach der OP war er natürlich zu Hause. Er bekam einen Betreuer, einen besonders geschulten Physiotherapeuten, der dafür sorgen sollte, dass nicht alles an Fitness verloren ginge. Sie haben ein kleines Programm gemacht. Das Knie war ja noch nicht belastbar, aber der Rest des Körpers sollte darunter nicht inadäquat leiden. Es war daher nicht ungewöhnlich, dass Roland nicht da war.«
    »Was haben Sie an jenem Nachmittag gemacht?«
    »Ich ging in mein Zimmer, um zu lesen. Klassische Musik lief im Hintergrund. Einmal hatte ich den flüchtigen Eindruck, die Wohnungstür sei zugeschlagen, kurz darauf noch einmal. Als ich nachsehen ging, war Roland nicht in seinem Zimmer. Ich kehrte zu meinem Buch zurück, fest überzeugt davon, mich getäuscht zu haben.«
    »In den Akten ist vermerkt, er sei an jenem Nachmittag nach Hause gekommen«, insistierte Nachtigall.
    »Ja. Das stimmt ja auch.«
    »Sie haben es also erst im Nachhinein bemerkt. Woran? Hat er einen angebissenen Apfel in der Küche liegen lassen?«
    Bernhard Schneiders Blick war zu mitleidig-arrogant, um noch als freundlich durchzugehen. Nachtigall bemühte sich, seine aufsteigenden Aggressionen zu verbergen. Er würde sich nicht provozieren lassen.
    »Nein. Er hatte seine Post gelesen. Die hatte ich wie immer auf die Kommode im Flur gelegt. Roland hatte sie in sein Zimmer mitgenommen.« Er holte tief Luft und setzte sich kerzengerade auf. »Und jetzt sollten Sie mir erklären, was Sie mit dieser Fragerei bezwecken! Roland ist in den Westen abgehauen. Wahrscheinlich lebt er dort in einem schnuckeligen Reihenhaus mit Frau und Kindern. Meine damaligen Versuche, ihn in die sozialistische Gesellschaft einzugliedern, sind kläglich
gescheitert!«
    »Roland Keiser wurde ermordet. Wir haben seine Leiche gefunden. In einem Feld in der Nähe.«
    »Roland ist tot?«, hauchte Schneider schockiert. »Ermordet?« Der ehemalige Mitbewohner begann nervös an einigen Papieren auf seinem Schreibtisch zu nesteln. »Warum ist er nur zurückgekommen?«
    »Er war nie weg.«
    Bernhard Schneider wurde noch blasser. Selbst seine Lippen verloren alle Farbe und schimmerten jetzt bläulich. »Der Fall wurde damals untersucht. Irgendjemand wusste über die Pläne Bescheid. Roland wollte angeblich in den Westen, davon wusste ich nichts. Alles war logisch. Die Bücher! Er hatte doch sogar Bücher über Ballonbau in seinem Regal!«, stammelte der füllige Mann aufgeregt. »Warum sollte jemand Roland u-m-g-e-b-r-a-c-h-t haben?«
    »Genau das herauszufinden, ist unsere Aufgabe.«
    »Da kommen Sie ausgerechnet zu mir?« Schneider schüttelte traurig den Kopf. »Ich habe damit nichts zu tun!«
    »Wir befragen jeden, der ihn kannte«, stellte Wiener klar.
    »Roland war

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