Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
Sie sich getäuscht.«
»Nein. Es gibt keinen Zweifel. Wir konnten die Leiche identifizieren.«
»Aha«, gab sie unsicher zurück. »Wer hat das bestätigt?«, fragte sie spitz nach. »Etwa seine Mutter, die Hexe?«
»Die Seriennummer seines künstlichen Knies.«
Ulrike Fleischer hüllte sich in aggressives Schweigen.
Rücksichtslos raschelte sie ihre Einkäufe aus einer braunen Papiertüte und knallte sie auf den Küchentisch.
Die Tüte mit Äpfeln riss auf, einige der grünen Früchte kullerten über die Tischplatte und stürzten über den Rand in die Tiefe.
»Scheiße!«, fluchte Ulrike Fleischer und sammelte gemeinsam mit dem Ermittler die Äpfel wieder ein, inspizierte sie auf Druckstellen und meinte lachend: »Dann gibt es heute Apfelpfannkuchen! Und Sie sind wirklich sicher, dass es Roland ist?« Das Lachen war plötzlich wie weggewischt und ihre braunen Augen schimmerten feucht.
»Ja. Er wurde ermordet. Vermutlich erstochen.«
»Vermutlich erstochen.« Sie bewegte die Worte in ihrem Mund von einer Seite zur anderen wie ein saures Bonbon. »Vermutlich? Das bedeutet wohl, seine Leiche war nicht mehr ganz frisch?«
»So kann man das auch ausdrücken. Er starb wohl am Tag seines Verschwindens.«
»Das ist wirklich schlimm.«
Wiener beobachtete, wie sie versuchte, unauffällig ein paar Tränen von der Wange zu wischen, während sie die Lebensmittel in den Kühlschrank räumte.
»Wir dachten ja alle, er habe es geschafft. Waren auch ein bisschen neidisch. Ich zum Beispiel. Aber ich wäre nie mutig genug gewesen.«
»Gab es damals Feinde?«
»Kein Mensch wird von allen geliebt«, antwortete Ulrike philosophisch.
»Stimmt. Aber zum Glück werden nur relativ wenige ermordet«, parierte Wiener schlagfertig.
Sie schenkte ihm ein maliziöses Lächeln. »Okay. So auf die Schnelle fällt mir niemand ein, der vielleicht so weit gegangen wäre, zu morden. Es ist ewig her! Mein ganzes Leben liegt dazwischen. Ich werde in Ruhe darüber nachdenken«, versprach die attraktive Frau.
Nach einem raschen Blick auf die Küchenuhr schaltete sie den Wasserkocher ein.
»Was haben Sie damals als Alternative zur Flucht aus der DDR angenommen? Ich habe gehört, er sei gar nicht der Typ gewesen, von dem man so eine Aktion erwartet hätte.«
»Mir gegenüber war nie die Rede von Fluchtplänen. Politik gehörte nicht zu unseren bevorzugten Gesprächsthemen. Ich weiß noch, dass ich nicht glauben konnte, jemand an zwei Krücken könne in den Westen abhauen. Ich meine, wenn das funktionierte, hätte doch jeder einfach rausspazieren können.« Sie nahm eine Schüssel aus dem Hängeschrank, angelte einen Schneebesen aus der Schublade und schlug drei Eier auf. Während sie Eiweiß und Eigelb kräftig durchmischte, erklärte sie: »Aber es gab schon Tricks. Mir kam das Ganze seltsam vor, weil ich davon ausging, dass er nach der OP ziemliche Schmerzen haben musste. Er hätte sich nicht in irgendeiner Kiste verstecken können. Wo haben Sie ihn denn gefunden?«
Nachdem Wiener ihr das erzählt hatte, war Ulrike Fleischer ziemlich blass.
»Das war Roland?«, hauchte sie entsetzt. »Ich habe im Radio davon gehört. Als Vogelscheuche auf dem Feld!« Sie fixierte den jungen Beamten kritisch. »Und wo sollte er dann wohl die letzten 20 Jahre gewesen sein?«, zischte sie aggressiv.
»In einer Tiefkühltruhe.«
Ronny Zobel war blasser als die pastellgelb-weiß gestreifte Bettwäsche, auf der er lag.
Nachtigall hatte den Eindruck, das Gesicht des Patienten leuchte weiß.
Es war nicht zu erkennen, ob er gehört hatte, dass jemand den Raum betreten hatte. Die Augen blieben geschlossen. Zobel atmete tief und ruhig. Schlief er vielleicht?
Peter Nachtigall zögerte. Es kam ihm nicht richtig vor, den Mann jetzt zu wecken. Abgesehen davon war nicht davon auszugehen, dass er besonders erfreut auf seinen Besucher reagieren wird.
Es klopfte.
In Zeitlupentempo schob sich die Tür in den Raum. Der blonde Schopf einer Frau erschien. Als ihre tastenden Blicke den Hauptkommissar entdeckten, zuckte sie zurück und machte Anstalten, die Tür rasch wieder zuzuziehen.
Mit zwei langen Schritten war Nachtigall neben ihr. »Frau Zobel?«
Sie nickte. Trat rückwärts in den Gang hinaus.
»Mein Name ist Peter Nachtigall. Hauptkommissar bei der Cottbuser Kriminalpolizei«, stellte er sich vor und schloss die Tür hinter sich.
Zögernd streckte sie ihm den Arm entgegen. Er schüttelte ihre Hand, die sich kalt und schlapp anfühlte, wie der
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