Spielzeugsoldaten
l ieß. Der Schmerz war so groß, der Verlust so unermesslich. Sie spürte d ie Tränen nicht, glaubte nicht w einen zu können. Nur at mloses Schluchzen und Wut, solch wahnsinnige Wut, Zorn. Nichts, nichts hatte sie je so verletzt, nicht s hatte sie so zerrissen, wie sie sterben sehen zu müssen.
„Wie konntest du das tun? Wie konntest du mich verlassen? Wie konntest du sterben?“ Juli schrie. Ihre Stimme bebte unter der Intensität ihrer Gefühle.
Juli atmete schwer. Was ist das? Es schnürte ihr die Kehle zu. Es war wie Schlaf, aber das Leid doch so real. Ein Traum? Kein Traum? Sie wollte aufwachen, nur aufwachen und Raku sehen. Doch sie konnte nicht . E s riss sie immer tiefer mit sich. Tiefer hinunter mit sich ins Dunkel, in Erinnerungen, die sie nicht kannte , die nicht ihre waren .
~*~
Einen der Umhänge, einen kleinen Teil der Ausrüstung. Raku war noch immer unfähig klar zu denken. Was, wenn Juli bereits etwas zugestoßen war? Die Angst lähmte ihre Vernunft, sorgte dafür das Raku kopflos ihren Instinkten folgte, ihren Gefühlen. Und dann diese Stimme, diese innere Stimme, die immer wieder flehte nie wieder von Juli getrennt zu werden. D ie Stimme aus den Alpträumen, die sie seit Tagen wach hielten. Raku nahm Chas Pferd, schwang sich auf seinen Rücken und ritt los, in die Richtung in die Cha gedeutet hatte, ohne wirklich zu wissen, wohin der Weg sie führen würde, ob an seinem Ende Juli auf sie warten würde. Die Nomaden hatten nur ein paar Stunden Vorsprung. Sie würde es schaffen. Sie wollte zurück, zurück zu Juli. Cha und Ser sahen Raku nach, hörten ihre Schreie, die das Pferd antrieben, sahen die Erde, die hinter ihr aufwirbelte.
„Sie haben sich geirrt “, flüsterte Ser, „beinahe hätte ich ihnen geglaubt.“
Cha schüttelte den Kopf und senkte seinen Blick, Tränen in seinen Augen.
„Nein, ich habe es bereits vor Tagen gespürt “, er legte seine Handflächen gegeneinander und hielt sie gegen seine Stirn, „sie sind ba-djed. Folge ihr!“
Die Kälte brannte eisig auf Rakus Haut.
Rakus Augen ware n halb geschlossen. S ie vertraute dem Pferd, so wie sie es bereits am Abend zuvor getan hatte. Es ist nicht kalt, flüsterte sie zu sich. Es ist nur der Wahn, nur die Stimme, der Schlafentzug. Es ist nicht real. Der Schmerz ist nicht real.
Doch warum sah sie es dann? Warum fühlte sie es dann? Das Leid, das Blut auf ihrer Haut. Fremde Soldaten umkreisten sie, Werkzeuge in d en Händen. Schnee, überall Schnee. Sie fühlte das kalte Holz an ihrem nackten Körper und hörte die eilig gerufenen Befehle. Übelkeit stieg in ihrer Kehle hoch und Raku konnte sich nicht mehr wehren, zu stark war die Erinnerung. Sie blickte um sich, sah e ine Frau. W en? Vor ihrem inneren Auge sah sie e ine Frau, die ans Kreuz geschlag en wird.
‚ Sie wird gekreuzigt !’
D er Schmerz schwoll in ihrem Herzen, raubte ihr Atem und Verstand.
‚ Ich liebe dich, für immer. ’
Ihre Stimme versagte. Betäubt vom Schmerz nahm sie keine Antwort mehr wahr.
Raku sackte auf dem Pferd in sich zusammen. Und obwohl die Zügel aus ihren Händen glitten, ga loppierte der Wallach weiter. Sogar noch ehrgeiziger als zuvor.
~*~
Zu spät! Ich bin zu spät!
Juli hatte begonnen zu schwitzen. Sie spürte wie die Hitze an ihrer Stirn hinabperlte und sich auf ihren Wagen mit ihren Tränen mischte. Heiße Tränen, verzweifelte Tränen. Der letzte vernünftige Teil ihrer Gedanken wusste, dass der Schmerz kein körperlicher war, dass es nur der Fieberwahn war, dass sie nur phanta sierte. Doch die andere Hälfte ihres Bewusstsein s hatte sich bereits darin verloren. Jede Faser ihres Körpers schrie um Hilfe, war erfüllt von diesem unbeschreiblichen Gefühl von Leere und Machtlosigkeit. Ja! Machtlosigkeit. Sie konnte nichts tun, nicht eingreifen, nur zusehen, wie das Leid vor ihrem inneren Auge immer größer wurde.
W achte sie? Träumte sie? Wo war Raku?
Juli konnte sich den Trugbildern, die sie immer und immer wieder übermannten nicht erwehren. Sie krochen in ihre Wirklichkeit und eroberten sie, Stück um Stück.
Sie spürte den Regen, d er hart auf ihre Haut prasselte . Es waren schwere, große Tropfen, doch sie fühlte nicht wie sie ihre Haut berührten. Sie kniete im Schlamm, hörte flüsternde Stimmen in einer fremden Sprache, die sie nicht verstand. Sie grub ihre Hände tiefer in den fauligen Morast, suchte nach Halt, doch konnte keinen finden. Das Atmen fiel ihr schwer, etwas E isiges umklammerte
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