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Spielzeugsoldaten

Spielzeugsoldaten

Titel: Spielzeugsoldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filipa Leemann
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chneedecke gebildet. Die Welt wurde hell, das Licht gleißend, als der Schnee es reflektierte. Eingehüllt in das unberührte W eiß, verloren auch die kahlen, nackten Stämme der Bäume ihren Schrecken, den sie leblos aus dem Boden ragend verbreiteten. Sie blieben einen Moment stehen und blickten hinunter ins Tal. Viel war nicht zu sehen, doch sie wussten weit in der Ferne, dort wo das grüne Dach des Waldes durch den Nebel schimmerte , da hatten sie Rakus Einheit zurück gelassen. I n der Hitze, dem Regen und im Krieg. Juli streckte eine Hand aus und beobachtete die Schneeflocken, die sich auf ihr niederließen und schon bald durch ihre Körperwärme schmolzen. Ihr Körper war noch warm von den vielen Kilometern, die sie heute bereits gelaufen waren, doch je länger sie da standen, desto mehr spürte Juli wie sich die Kälte in ihrem Körper hocharbeitete. Sie atmete gierig die kalte, klare Luft, jedoch nur so lange bis sie in ihren Lungen zu brennen begann. Dann sah sie zu Raku rüber, die mit geschlossenen Augen in den Himmel blickte und die Berührungen des Schnees auf ihrer Haut genoss. Juli war aufgefallen, dass Raku immer gelöster wurde, je weiter sie sich vom Kriegsschauplatz entfernten. Es war zu spüren, dass sie sich freier fühlte.
    „Es wird noch kälter werden“ ,   sagte Raku plötzl ich, als sie bemerkt hatte, dass Juli sie anstarrte.
    Juli entschied sich dazu, Rakus Worte zu überhören. Sie hatten doch ohnehin keine Wahl, oder? Vielleicht würde sie sich keine Sorgen machen, wenn sie es schaffte es zu ignorieren. Stattdessen lächelte sie.
    „Ich habe noch nie Schnee gesehen.“
    Raku öffnete die Augen und drehte sich augenblicklich zu ihr um.
    „Wie? Du hast noch nie Schnee gesehen?“
    Juli streckte wieder ihre Hand aus und beobachtete die Schneeflocken. Sie schüttelte den Kopf.
    „Da wo ich geboren und aufgewachsen bin, schneit es nicht. Ich kannte Schnee nur aus dem Fernsehen.“
    Raku lächelte und erinnerte sich an ihre Kindheit. Sie hatten jeden Winter Schnee gehabt und es war jedes Mal ein großes Ereignis für alle Kinder. Stundenlang hat sie dann mit ihrem Bruder draußen in den kleinen Gassen zwischen den Häusern gespielt, auch dann noch, wenn der Schnee bereits vom Dreck und dem Staub der Straßen und Autos fast schwarz war. Es war Schnee. Sie freute sich noc h heute, wenn sie Schnee sah, fühlte, roch. Es war wie damals, als noch alles in Ordnung war. Sobald sie Gelegenheit dazu hatten, würde sie Juli zeigen, was sie als Kind verpass t hatte. B eim Gedanken daran lächelte sie abwesend, ohne es zu merken.
    „Warum grinst du so?“
    Raku zuckte mit den Schultern. 
    „Ich hab mich an ein paar Dinge erinnert.“ 
    Sie studierte Julis Gesichtsausdruck aufmerksam und fragte sich, wie weit das hier gehen würde.
    „Was denn?“
    „Nein, nein. S chon gut “,   Raku schüttelte schnell den Kopf, es war keine Zeit sentimental zu werden, „ich fürchte du wirst noch viel mehr Schnee sehen.“
    „Im Moment gefällt es mir noch.“
    „Da sprechen wir noch mal drüber, wenn es kälter wird.“
     
    ~*~
     
     
    Mit jedem Schritt, mit jedem Höhenmeter, mit jeder Minute, die sie weiter marschierten wurde die Schneedecke dichter und höher. Sie hatten die Hosen in die Militärstiefel gesteckt und diese fester zugeschnürt , damit die Feuchtigkeit nicht hin ein konnte. Es war kalt geworden, sehr kalt. Die Felle waren bereits mit einer dünnen Schicht von Eiskristallen bedeckt und das Atmen wurde schwerer. Langsam und ruhig machte n sie Meter um Meter gut. Stunde um Stunde verging, in denen sie schweigend nebeneinander her liefen , schweigend, wegen der Kälte, schweigend, weil sie nicht wussten , was sie sagen sollten. Es war noch vieles zu sagen, dachte Juli immer wieder, aber sie hatte das Gefühl, dass es warten musste. Sie würde sich nie an die körperliche Anstrengung gewöhnen und so leichtfüßig wie Raku jedes auch noch so große Schneefeld überqueren. Jetzt jedoch fühlte sie sich sicherer als je zuvor und das, obwohl Raku noch kein Wort darüber verloren hatte, wie nah sie ihrem eigentlichen Ziel waren. Manchmal, nur für einen kurzen Augenblick, kam es Juli so vor, als würden sie nur laufen ohne zu wissen wohin, dann aber machte Raku eine Biegung, wo keine nötig gewesen wäre und Juli war wieder versichert, dass Raku wusste woher sie gehen mussten. Die Kälte nagte sehr an ihr. Das Fell spendete W ärme und Juli fühlte, dass sie nie ganz auskühlen würde, aber an

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