Spielzeugsoldaten
zurück in den alten Sessel, der in einer Ecke der kleinen Kammer stand. Während Raku wieder begann unruhig auf und ab zu laufen. Worte brannten ihr auf der Zunge, doch sie brauchte eine Weile, um es zu wagen sie auszusprechen. Schwäche zu zeigen, war keine ihrer Stärken.
„ Ich fürchte, ich bin dem hier nicht gewachsen. Ich habe so viele Schlachten geschlagen, aber ich habe mich noch nie so hilflos gefühlt wie jetzt."
„ Raku, bitte beantworte mir eine Frage: Was ist wichtiger, dass ihr beide zueinand er findet oder dass sich der ba- djed Mythos als wahr erweist?"
„ Was ist das für eine Frage? Ich will Juli und ich will, dass diese verdammten Träume aufhören. Der ba-djed Mythos ist vielleicht nicht mehr als eine Erklärung dafür, dass beides zusammenhängt."
Chenti nickte zufrieden.
„W arum ist es dir so wichtig, dass Juli es beg reift . Ich glaube, sie fühlt für dich, wie du für sie. Was macht es da für einen Unterschied, ob es in einem anderen Leben schon einmal so war? Ihr lebt jetzt und das wird sich vorerst nicht ändern."
Raku seufzte. Das war nichts , über das sie sich nicht auch schon Gedanken gemacht hatte.
„ Du hast Recht. Erklär mir lieber, was der ba-djed Mythos mit Julis Bleiben in Geison zu tun hat!"
„ Das ist sehr einfach. Meinst du nicht, dass es ein ungeheures Verbrechen wäre ewige Seelen wieder zu trennen?"
Er zwinkerte ihr verschmitzt zu. Er war sich durchaus bewusst, dass das für Raku nichts anderes hieß, als dass das Problem weiter bestand. J uli musste ba-djed begreifen und sie mussten es beweisen, vor dem Abt und vor dem König. Chenti wusste, dass seine Glaubensbrüder sich nicht würden betrügen lassen, entweder sie waren ba-djed oder sie waren es nicht. Es lag an ihnen.
Raku seufzte erneut. Konnte das nicht einfach aufhören?
„ Ich fasse das mal kurz zusammen, damit ich weiß, ob ich das richtig verstanden habe: Grundsätzlich sollte es mir alles egal sein, ich sollte Juli einfach “, sie zögerte, „ lieben und meinen Gefühlen nachgehen. Allerdings kann ich das nur, wenn ich verhindere, dass sie in kürze das Land verlassen muss. Das kann ich aber wiederum nur, wenn ich ihr begreiflich mache, dass wir zwei einen uralten Mythos einer ihr völlig unbekannten und offensichtlichen völlig unverständlichen Religion erfüllen. Ja?"
Chenti nickte.
~*~
Als Juli erwachte, war Raku verschwunden. Nur einen Augenblick suchte sie irritiert den Raum nach einem Zeichen von ihr ab. Sie war nicht da. Juli versuchte sich zu beruhigen. Raku hatte ihr versprochen sie nicht zu verlassen und das hieß, sie würde es nicht tun. Sicher war sie irgendwo im Kloster, vielleicht bei der Meditation, vielleicht beim Essen oder bei Chenti. Aber sie war nicht weg. Juli schloss die Augen und atmete tief durch. Es war ein bisschen viel auf einmal und sie konnte das Ausmaß der Geschehnisse noch nicht abschätzen. Nur eines war ganz sicher: Raku. Nach ein paar Minuten entdeckte sie ihren Laptop auf dem Bett. Er war offensichtlich repariert. D ie äußeren Spuren ihres Marsches waren beseitigt und als sie ihn anschaltete, sprang das kleine grüne Lämpchen neben dem Bildschirm sofort an. Sie ve rschwendete nicht viel Zeit. E in Lächeln schlich sich auf Julis Gesicht: Sie konnte eine Verbindung herstellen und ihre Emails abfragen. Ihre Familie hatte zweimal geschrieben, einmal kurz nach ihrem Verschwinden und gestern, offensichtlich als bekannt wurde, wo Juli und Raku sich befanden. Die Erleichterung war aus ihren Worten herauszulesen. Juli wusste nicht was sie antworten sollte, außer, dass es ihr gut ging und dass sie nicht wusste , ob und wann sie zurückkehren würde. Die Meldungen in den Nachrichten über Raku waren beunruhigend und stimmten nur zum Teil mit dem überein , was wirklich passiert war. Die Redak tion hatte mehrmals geschrieben. I n der letzten Mail stellten sie fast au sschließlich Fragen zu Raku. A uch sie hatten erfahren, wo sie waren. Juli a ntwortete auf die Mails nicht. N ur für einen Moment hatte sie Angst ihre Arbeit zu verlieren. Was machte das schon? Die konnten nicht ernsthaft von ihr erwarten, dass sie in dieser Situation irgendwelche Auskünfte geben konnte. Für ein paar Minuten klickte sie sich durch die verschiedenen Nachrichten, die über sie und Raku durch die Zeitungen gegangen waren. Offensichtlich hatte die Regierung Erfolg gehabt: Das Land befand sich wieder im Krieg. Jeder sprach darüber, jede Zeitung schrieb darüber und
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