Spielzeugsoldaten
jeder Gefallene, jeder Kampf war eine Meldung wert. Kein Wort, das sie über Raku schrieben , stimmte . Das war nicht Raku über die sie da schrieben. Da war die Rede vo n Entführung, von Hochverrat und von Mord. E s waren ehemalige Soldaten befragt worden. S ie schilderten eine kalte, blutdurstige Soldatin, die den Krieg suchte und für ihre Vorteile die Schlachten sch lug. Sie beschrieben Major Avis, den Mythos. Juli drängte ihre Tränen zurück. Was hatten die schon für eine Ahnung! Sie erinn erte sich an all das erlebte. A n ihre Reise mit den Nomaden. Sie sah Raku lachen, dachte an die wenigen Scherze, die ihre Lippen verlassen hatten. Und an ihre Berührungen. Energisch klappte sie den kleinen Laptop zusammen und schaltete ihn aus. Das war Wahnsinn!
„ Ich brauche sie. I ch brauche sie hier." flüsterte Juli zu sich selbst.
Alles was sie wollte war Ruhe und Sicherheit. Sie musste wissen, wo sie blieben, ob sie gemeinsam den Weg weitergingen oder ob sie sich trennen mussten. Sie wollt e wissen, ob Raku sie wollte oder ob es nur ein Hirngespinst war. Sie wollte Klarheit. Egal wie. Juli lehnte sich zurück in die Kissen. Auch wenn es Raku wenig freuen würde, aber sie würden reden müssen, sobald sie wieder da war. Auch über diese dummen Träume, die sie verfolgten. Es gab für alles eine Erklärung, eine Lösung. So wie jetzt war es unerträglich.
~*~
Die Sonne war bereits hinter den schneebedeckten Gipfeln Geison s untergegangen, als Raku die schwere Holztür zu den königlichen Gemächern aufschob. Sie hatte den Rest des Tages damit verbracht ihre Möglichkeiten zu durchdenken. Es gab nicht viele, aber dennoch viel nachzudenken. Keine Sekunde länger wollte sie ohne Juli sein. Sie sehnte sich nach ihrer Nähe. Das allein war schon beunruhigend genug, beunruhigender war aber, dass sie wusste, dass es an ihr war zu handeln. Raku war niemals eine Frau vieler Worte gewesen und die Aussicht auf lange Diskussionen behagte ihr nicht. Aber da musste sie wohl durch und so wie sie Juli bisher kennen gelernt hatte, war Juli wahrscheinlich schon dabei eine Diskussion im Geiste vorzubereiten. Das Zimmer war dunkel, bis auf das matte Mondlicht, das fahl durch die seidenen Vorhänge fiel. Raku entdeckte Juli auf dem Bett, beinahe dort, wo sie sie zurück gelassen hatte, ausgestreckt auf den Kissen und Decken, tief schlafend.
Sie lächelte. Da blieb ihr das Reden wohl bis zum Morgen erspart. Leise ging sie zum Bett und legte den Laptop beiseite, der neben Juli gelegen hatte. Mit langsamen, lautlosen Bewegungen zog sie ihre Stiefel aus und zog den Gürtel aus der Hose, dann legte sie sich in einigem Abstand neben Juli. Nichts wäre ihr lieber als wenn sie einschlafen und aufwachen könnte, wie in der letzten Nacht, in Julis Armen. Aber nach allem was am heutigen Tag vorgefallen war, sollte sie ih re Emotionen besser zügeln . Raku richtete sich auf und sah zu Juli rüber. Es war eine Schande, dass sie so viel Zeit verschwendeten. Raku hätte handeln sollen, das wusste sie nun. Sie hätte handeln sollen, kaum da sie erkannt hatte, was zwischen ihnen vor sich ging und dass es auf Gegenseitigkeit beruhte. Jetzt, in der Rückschau, konnte sie sich an diesen Moment der Erkenntnis nicht mehr erinnern. Es war ein fließend er Prozess gewesen. E s hatte sich wie von selbst, wie gewollt und vorgesehen in ihr Leben eingefügt und sie wollte es um keinen Preis mehr missen. Sie vermisste Juli , kaum hatte sie den Raum verlassen. Raku wollte jede Bewegung, jeden Atemzug miterleben. Es war verrückt und vielleicht auch allzu unsi nnig für eine Frau ihrer Art, aber so war es nun mal. Sie hatte Angst etwas zu verpassen. Nur für einen Augenblick, kurz wie ein Wimperschlag zögerte Raku. Warum? Warum nicht? Sie ignorierte den Widerstreit in ihren Gedanken, der aufflammte. Sie konnte nicht widerstehen. Vorsichtig beugte sie sich über Juli und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. Doch als sie die Wärme von Julis Haut unter ihren Lippen spürte, wusste sie augenblicklich, ohne zu zögern, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was richtig oder falsch sein könnte und dass ihr dieser Kuss nicht genug sein würde. Raku wusste, dass sie sich zu beherrschen hatte, dass sie ihre Sehnsucht und ihre Gier im Zaum zu halten hatte. Juli wäre überfordert und schockiert. Verdammt! Ein Kuss nur! Sie wird ohnehin gehen. Si e wird mich verlassen, ich werd e sie nie wieder sehen können. W as macht es da, wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher