Spillover
führen kann. Sein Paradox beschreibt die Größenbeschränkung für solche sich selbst verdoppelnden Moleküle: Wären sie größer, schleichen sich wegen der Mutationsrate zu viele Fehler ein, und sie verdoppeln sich nicht mehr. Sie sterben aus. RNA -Viren unterliegen einer solchen Beschränkung und gleichen ihre fehleranfällige Verdoppelung aus, indem sie riesige Populationen hervorbringen und für eine frühzeitige, häufige Übertragung sorgen. Anscheinend können auch sie das Eigen-Paradox nicht durchbrechen, aber sie können es umgehen und aus ihrer Instabilität eine Tugend machen. Ihre Kopierfehler liefern eine Fülle von Variationen, und mit einer Fülle von Variationen können sie eine schnelle Evolution durchlaufen.
» DNA -Viren können viel größere Genome erzeugen«, sagt Eddie. Im Gegensatz zu den RNA-Viren stellt das Eigen-Paradox für sie keine Beschränkung dar. Sie können sogar Gene des Wirts einfangen und in sich aufnehmen; das hilft ihnen, die Immunantwort des Wirts durcheinanderzubringen. Sie können längere Zeit im Organismus verbleiben und sich mit einer langsameren Übertragung zufriedengeben, beispielsweise auf sexuellem Wege oder vertikal. Und was am wichtigsten ist: Sie können Kopierfehler bei der Verdoppelung reparieren und damit ihre Mutationsrate senken. » RNA -Viren können das nicht.« Sie sind anderen Beschränkungen unterworfen und haben andere Möglichkeiten. Ihre Mutationsrate kann nicht niedriger werden. Ihr Genom kann sich nicht vergrößern. »Sie stecken gewissermaßen fest.«
Was tut ein Virus, das feststeckt, keine langfristige Sicherheit genießt, keine Zeit und auch sonst nichts zu verlieren hat, sich aber gut an neue Verhältnisse anpassen kann? Bis jetzt haben wir um den Punkt herumgeredet, der mich am meisten interessiert. »Sie springen häufig von einer Spezies zur andern«, sagt Eddie.
97 Levine (1992), S. 7
98 Zinsser (1948), S. 55
99 Zinsser (1948), S. 55
100 Zitiert in Crawford (2000), S. 6
101 Sabin und Wright (1934), S. 116
102 Sabin und Wright (1934), S. 133
103 Engel et al. (2002), S. 792
104 Weiss (1988), S. 497
105 Pasteurs Ansicht, zusammengefasst und bestätigt von René Dubos, zitiert in Ewald (1994), S. 188–189
106 Zinsser (1948), S. 53
107 Burnet (1940), S. 37
108 McNeill (1976), S. 9
109 Zitiert in ProMED-mail, 22. April 2011
110 Zitiert in ProMEDmail, 1. April 2011
111 Fenner und Ratcliffe (1965), S. 17
112 Fenner und Ratcliffe (1965), S. 276
113 Fenner (1983), S. 265
114 Anderson und May (1979), S. 361
115 Anderson und May (1982), S. 411
116 Anderson und May (1982), S. 424
KAPITEL VII Fliegende Wirte
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Auf dunklen Schwingen
Von woher kommen diese Viren gesprungen? Von Tieren, die sie lange beherbergt haben und in denen sie gelegentlich feststecken. Mit anderen Worten: von ihren Reservoirwirten.
Manche Tiergruppen treten häufiger als Reservoirwirte für auf Menschen überspringende Viren in Erscheinung als andere. Hanta- und Lassaviren springen von Nagetieren über. Das Gelbfiebervirus kommt von Affen. Die Affenpocken springen trotz ihres Namens vorwiegend von Eichhörnchen über. Herpes B stammt von Makaken. Die Influenzaviren springen von Wildvögeln auf Hausgeflügel und von dort – manchmal nach einem Zwischenstopp, inklusive genetischer Veränderungen, in Schweinen – auf Menschen über. Das Masernvirus war ursprünglich in Schafen und Ziegen zu Hause. HIV -1 kommt von Schimpansen. Was die Herkunft angeht, besteht also eine gewisse Vielfalt. Aber viele der beängstigenden neuen Viren, die ich bislang beschrieben habe, und noch einige andere springen von Fledertieren 117 auf Menschen über.
Hendra: von Fledertieren. Marburgvirus: von Fledertieren. SARS - C o V : von Fledertieren. Wenn die Tollwut auf Menschen überspringt, stammt sie in der Regel von Haushunden, denn die haben häufiger als infizierte Wildtiere die Gelegenheit, ihre Zähne in Menschen zu schlagen; zu den wichtigsten Reservoirwirten gehören aber auch hier die Fledertiere. Das Duvenhage-Virus, ein Verwandter des Tollwuterregers, springt von Fledertieren auf Menschen über. Das Kyasanur-Forest-Virus nutzt Zecken als Vektoren, aber die tragen es von mehreren Wildtierarten, darunter auch Fledertiere, zum Menschen. Ebola: höchstwahrscheinlich ebenfalls von Fledertieren. Menangle-Virus: von Fledertieren. Tioman: von Fledertieren. Melaka: von Fledertieren. Das Australische Fledermaus-Lyssavirus hat sein Reservoir – anders als sein deutscher
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