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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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zunächst eine große Zahl von Proben durchmustern und dann gezielt an einigen wenigen weiterarbeiten. Auf diese Weise trennten sie die Spreu vom Weizen.
    Sie konnten ihre Feldstudien auch über Gombe hinaus ausdehnen und ihre Aufmerksamkeit wieder dem Zentralafrikanischen Schimpansen zuwenden, jener Unterart, deren SI V cpz die größte Ähnlichkeit mit HIV -1 hat. In Zusammenarbeit mit Martine Peeters aus Montpellier und einigen Kontaktpersonen in Afrika sammelten sie 446 Proben von Schimpansenkot aus verschiedenen Stellen in den Wäldern des südlichen und südöstlichen Kameruns. Die anschließenden Laboranalysen leitete Brandon Keele. Im DNA -Test stellte sich heraus, dass fast alle Proben von Zentralafrikanischen Schimpansen stammten (einige Dutzend waren allerdings auch der Unterart P. t. vellerosus zuzuordnen, deren Verbreitungsgebiet unmittelbar nördlich eines größeren Flusses liegt). Als Nächstes suchte Keele nach Anhaltspunkten für das Virus. Dabei stieß er auf zwei überraschende Befunde.
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    Übereinstimmung
    Um Näheres über diese Überraschungen zu erfahren, suche ich Brandon Keele auf. Er hat mittlerweile seine Postdoc-Stelle bei Hahn verlassen und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Außenstelle des National Cancer Institute in Frederick (Maryland). Dort beschäftigt er sich als Leiter einer Abteilung für die Erforschung der Virusevolution immer noch mit Virus-Phylogenetik und AIDS . Sein neues Büro und Labor befinden sich auf dem Gelände von Fort Detrick; hier ist auch USAMRIID untergebracht, die Einrichtung, in der Kelly Warfield mit Ebola gearbeitet und nach ihrem Unfall drei Wochen in der »Kiste« zugebracht hat. Keele, ein großer, sehr höflicher junger Mann, erwartet mich vor der Tür seines Laborgebäudes. Er trägt ein blaues Hemd und Jeans, die Haare sind zurückgegelt, in seinem Gesicht steht ein Zweitagebart. Wir nehmen in seinem kleinen Büro Platz und sehen uns eine Karte von Kamerun an.
    Als erste Überraschung ergab sich aus der Untersuchung der Exkrementproben, dass SI V cpz in manchen Schimpansengruppen in Kamerun sehr weit verbreitet ist. Die höchsten Werte, so Keele, finden sich an zwei Stellen namens Mambele (nicht weit von einer Straßenkreuzung gleichen Namens) und Lobeke (in einem Nationalpark). Alle anderen Proben von Schimpansen ließen darauf schließen, dass SIV -Infektionen nur selten vorkamen, die aus dem Südosten Kameruns deuteten jedoch auf eine Verbreitung von bis zu 35 Prozent hin. Aber auch hier war die Virushäufigkeit »punktuell«, wie Keele es formuliert. »Manchmal haben wir an einer Stelle Hunderte Proben gesammelt und nichts gefunden.« Dann aber begibt man sich ein wenig weiter nach Osten, überquert einen bestimmten Fluss, sammelt wiederum Proben, und die Virushäufigkeit geht steil nach oben. Damit hatten die Wissenschaftler nicht gerechnet. Besonders hoch war der Anteil infizierter Tiere in der äußersten Südostecke des Landes, wo sich zwei Flüsse vereinigen und eine keilförmige Staatsgrenze bilden. Diese Ecke Kameruns ragt in die Republik Kongo hinein, den südöstlichen Nachbarstaat. Der Keil ist ein Brennpunkt für SI V cpz .
    Der zweite erstaunliche Befund ergab sich, nachdem sie die Virusfragmente aus den Proben isoliert, vervielfältigt und sequenziert hatten und die Gensequenzen in ein Computerprogramm eingaben, das sie mit den Sequenzen vieler bekannter SIV - und HIV -Stämme verglich. Das Programm stellte den Vergleich in Form der wahrscheinlichsten phylogenetischen Verwandtschaft dar – also als Stammbaum. Keele berichtet, wie er die Befunde für einen bestimmten Schimpansen im Auge behielt, ein Individuum mit der Kennzeichnung LB7, dessen Kot sie in Lobeke gesammelt hatten. »Wir waren einfach schockiert«, sagt er. »Wissen Sie, wir saßen mit zehn Leuten um meinen Computer, und alle wollten wissen, wie die Sequenz aussieht.« Sie sah aus wie das AIDS -Virus.
    Als der Computer den entsprechenden Stammbaum gezeichnet hatte, stand das SI V cpz -Isolat von LB7 als kleiner Zweig an demselben kleinen Ast, der auch alle bekannten Stämme der HIV -1-Gruppe M umfasste. (Oder im wissenschaftlichen Jargon: Er gehörte zu derselben Klade .) Es war damals, so erzählt mir Keele, »die größte Übereinstimmung«, die man jemals bei einem wilden Schimpansen gefunden hatte. »Und dann finden wir doch auch noch mehr, oder? Klar, je mehr wir suchen, desto mehr finden wir.« Die anderen großen Übereinstimmungen kamen aus

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