Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
Vom Netzwerk:
nach Ostafrika. Der Subtyp D setzte sich parallel zu den Subtypen A und C in den Ländern Ostafrikas fest, außer in Äthiopien, das aus irgendeinem Grund schon frühzeitig und nahezu ausschließlich vom Subtyp C besiedelt wurde. Der Subtyp G fand den Weg nach Westafrika. Die Subtypen H, J und K blieben vorwiegend in Zentralafrika von Angola bis zur Zentralafrikanischen Republik. In all diesen Regionen begann nach der üblichen jahrelangen Latenzzeit zwischen Ansteckung und ausgeprägter AIDS -Erkrankung das Sterben. Und dann ist da noch der Subtyp B .
    Irgendwann um 1966 setzte der Subtyp B von Léopoldville nach Haiti über.
    Wie das im Einzelnen geschah, weiß man nicht, und vermutlich wird man es auch nie in Erfahrung bringen können. Bei seinen Grabungen in den Archiven fand Jacques Pépin aber neue Argumente für ein plausibles Szenario. Als die belgische Regierung am 30. Juni 1960 unter dem Druck der Bewegung von Patrice Lumumba ganz plötzlich ihre afrikanische Kolonie aufgab, waren Zehntausende von Auslandsbelgiern – fast eine ganze Mittelschicht aus Beamten, Lehrern, Ärzten, Krankenschwestern, Ingenieuren und Managern – plötzlich nicht mehr willkommen und fühlten sich in der neuen Republik nicht wohl. Also strömten sie zurück in die Heimat. Sie drängten sich in den Flugzeugen nach Brüssel. Ihre Abreise hinterließ ein Vakuum, denn die belgische Kolonialregierung hatte es gezielt vermieden, ihre Untertanen in der Kolonie auszubilden. So gab es beispielsweise keinen einzigen kongolesischen Arzt und nur sehr wenige Lehrer. Plötzlich brauchte das Land Hilfe. Die Weltgesundheitsorganisation reagierte mit der Entsendung von Ärzten, und auch die Vereinten Nationen (genauer gesagt, die UNESCO , ihre Organisation für Erziehung, Bildung und Kultur) rekrutierte qualifizierte Männer und Frauen, die im Kongo arbeiten sollten: Lehrer, Anwälte, Landwirtschaftsexperten, Postbeamte und andere Verwaltungsmenschen, Techniker und Vertreter verschiedener weiterer Berufe. Viele dieser Helfer kamen aus Haiti. Es schien alles ganz wunderbar zusammenzupassen: Die Haitianer sprachen Französisch wie die Kongolesen, sie hatten afrikanische Wurzeln, und sie waren gebildet, hatten aber zu Hause unter der Diktatur von »Papa Doc« Duvalier kaum berufliche Möglichkeiten.
    Im ersten Jahr der Unabhängigkeit kam die Hälfte aller Lehrer, die von der UNESCO in den Kongo geschickt wurden, aus Haiti. Im Jahr 1963 arbeiteten nach einer Schätzung ungefähr tausend Haitianer in dem Land. Eine andere Schätzung besagt, in den 1960er Jahren seien im Kongo insgesamt 4500 haitianische Helfer tätig gewesen. Aussagekräftige, offizielle Unterlagen sind offensichtlich nicht erhalten. Jedenfalls waren es viele Haitianer, Tausende. Manche brachten ihre Familie mit, andere kamen allein. Und man kann davon ausgehen, dass die wenigsten der alleinstehenden Männer auf Dauer enthaltsam lebten. Die meisten von ihnen hatten vermutlich kongolesische Freundinnen oder suchten femmes libres auf. Für einige Jahre mag das ein schönes Leben gewesen sein. Als aber im Kongo immer mehr eigene Staatsbürger ausgebildet wurden, und insbesondere nachdem Joseph Désiré Mobutu 1965 die Macht an sich gerissen hatte, waren die Haitianer weniger notwendig und weniger willkommen. Noch weniger wurden sie Anfang der 1970er Jahre gebraucht, als der Machthaber seinen Namen in Mobutu Sese Seko änderte, das Land auf den Namen Zaire taufte und eine Politik der »Zaireisierung« verkündete. In diesen Jahren kehrten die meisten Haitianer nach Hause zurück. Die Zeiten, in denen die schwarzen Brüder aus Amerika nützlich waren und geschätzt wurden, waren vorüber.
    Mindestens einer der Heimkehrer, vermutlich einer der ersten, trug offenbar HIV -1 in sich.
    Genauer gesagt: Irgendjemand brachte zusammen mit Erinnerungen aus dem Kongo auch eine Dosis von HIV -1, Gruppe M, Subtyp B mit.
    Wohin das führt, ist jetzt zu erkennen, aber wie es so kam, ist vielleicht überraschend. Jacques Pépin brachte mit seinen Recherchen neues Licht in die Frage, wie sich die Vermehrung und Verbreitung des Virus in Haiti Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre abspielte. Zum einen breitete sich das Virus, ausgehend von einer einzigen HIV -positiven Person, ungefähr ab 1966 schnell in der Bevölkerung Haitis aus. Belege für diesen Vorgang fand man später in den Blutproben von 533 jungen Müttern aus einem Slum von Port-au-Prince, die sich 1982 bereit erklärt hatten, an einer

Weitere Kostenlose Bücher