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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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und starb. Damit war das Ebolavirus aus Zentralafrika auf den gesamten Kontinent übergegangen. Die Bilanz dieser dritten Epidemie, die sich auf Booué, Libreville und Johannesburg erstreckte, betrug insgesamt 60 Fälle, davon 45 tödliche. Die Sterblichkeitsrate kann man in diesem Fall im Kopf ausrechnen.
    In diesem Durcheinander von Fällen und Details zeichnen sich einige gemeinsame Aspekte ab: Am Ort der Epidemien waren die Wälder durch menschliche Aktivitäten gestört, neben toten Menschen gab es auch tote Menschenaffen, Sekundärfälle traten in Verbindung mit Kontakten im Krankenhaus oder bei traditionellen Heilern auf, und die Sterblichkeit war mit 60 bis 75 Prozent sehr hoch. Schon 60 Prozent sind für jede Infektionskrankheit (mit Ausnahme der Tollwut) ein extrem hoher Wert; er liegt vermutlich höher als die Sterblichkeit durch Pest im mittelalterlichen Frankreich auf dem Höhepunkt der großen Epidemien.
    In den Jahren seit 1996 wurden Menschen und Gorillas in der Region rund um Mayibout 2 noch mehrfach von Ebola heimgesucht. Eine schwer betroffene Region erstreckt sich entlang des Flusses Mambili unmittelbar jenseits der gabunischen Grenze im Nordwesten des Kongos. In dieser dicht bewaldeten Zone gibt es ebenfalls mehrere Dörfer, einen Nationalpark und ein kürzlich ausgewiesenes Schutzgebiet mit dem Namen Lossi Gorilla Sanctuary. Durch diese Region waren Mike Fay und ich im Mai 2000 gewandert, nur vier Monate bevor ich ihn an den Inselbergen von Minkébé wieder traf. Im krassen Gegensatz zu Minkébé hatte es im Wassereinzugsgebiet des Mambili während unseres Besuchs jede Menge Gorillas gegeben. Zwei Jahre später jedoch, 2002, fand ein Wissenschaftlerteam bei Lossi die ersten toten Gorillas, und einige der Kadaver waren im Test auf Ebola-Antikörper positiv. (Ein positiver Antikörpertest ist kein so überzeugender Anhaltspunkt wie die Entdeckung lebender Viren, aber aufschlussreich ist er dennoch.) Nach wenigen Monaten waren 90 Prozent der Gorillas, die sie individuell kannten und erforscht hatten (130 von 143 Tieren), verschwunden. Wie viele davon waren einfach an einen anderen Ort weitergezogen? Wie viele waren tot? Die Wissenschaftler stellten aufgrund der bestätigten Todesfälle und des Verschwindens eine relativ lockere Hochrechnung zur Ermittlung der Gesamtopferzahl in ihrem Untersuchungsgebiet an und veröffentlichten im Fachmagazin Science einen Aufsatz unter dem eindringlichen (allerdings etwas zu selbstsicheren) Titel »Ebola-Epidemie kostet 5000 Gorillas das Leben«.
    10
    Ein Phantom wird gejagt
    Im Jahr 2006 kehrte ich an den Mambili zurück. Dieses Mal begleitete ich eine Arbeitsgruppe unter Leitung von William B. (Billy) Karesh, dem damaligen Direktor des Field Veterinary Program der in New York ansässigen Wildlife Conservation Society ( WCS ), der heute bei der EcoHealth Alliance eine ähnliche Funktion bekleidet. Billy Karesh ist Tierarzt, anerkannter Fachmann für Zoonosen und ein weit gereister Feldforscher. Seine übliche Arbeitsuniform besteht aus einem blauen Chirurgenhemd, einer Baseballkappe und einem Bart. Er ist ein Empiriker durch und durch, spricht leise und vermeidet kategorische Festlegungen, als könne er sich damit den Mund verbrennen. Häufig setzt er ein hintersinniges Lächeln auf, das man als Staunen über die Wunder der Welt und Belustigung über die menschlichen Torheiten interpretieren könnte. Aber seine Mission am Mambili war alles andere als lustig. Er war gekommen, um Gorillas aufs Korn zu nehmen – allerdings nicht mit Kugeln, sondern mit Betäubungspfeilen. Er wollte Blutproben ziehen und sie auf Antikörper gegen das Ebolavirus testen.
    Unser Ziel war der Komplex Moba Bai, eine Gruppe natürlicher Lichtungen nicht weit vom Ostufer des oberen Mambili und ganz in der Nähe des Lossi-Schutzgebiets. Als bai wird im französischsprachigen Afrika eine sumpfige Wiese bezeichnet, die häufig eine Salz-Leckstelle einschließt und von Wäldern umgeben ist wie ein geheimer Garten. Neben der Moba Bai, der das Gebiet seinen Namen verdankte, gab es in der Nähe noch drei oder vier weitere Lichtungen. Gorillas (und andere Wildtiere) suchen häufig solche offenen Flächen auf: Sie sind von Wasser durchtränkt und sonnig, und unter dem offenen Himmel wachsen natriumreiche Seggen und Astern. Wir erreichten Moba in einem überladenen Einbaumkanu mit 40- PS -Außenbordmotor, mit dem wir auf dem Mambili stromaufwärts gefahren waren.
    Wir saßen mit elf Personen und

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