Spillover
stammten weder von P. malariae noch von P. vivax oder P. falciparum . Sie gehörten vielmehr zu etwas ganz Neuem – oder jedenfalls zu etwas, das man nicht erwartet hatte und kaum kannte.
Wie sich in weiteren Untersuchungen und Vergleichen herausstellte, waren fünf der acht Patienten aus Kapit mit Plasmodium knowlesi infiziert. Die Fälle häuften sich nicht in einem einzigen Langhaus, auch das ein unerwarteter Anhaltspunkt. Aus dem Fehlen einer Häufung konnte man schließen, dass diese Menschen den Parasiten nicht auf dem Weg über Mücken untereinander weitergegeben hatten. Offensichtlich hatte jeder Patient ihn sich durch eine Mücke zugezogen, die zuvor einen Makaken gestochen hatte.
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DNA-Konfetti
Die Fakultät für Medizin und Gesundheitswesen der University of Malaysia Sarawak ist in einem schlanken Hochhaus untergebracht. Mit dem Taxi sind es von hier nur zehn Minuten zu den großen neuen Hotels und den alten Markthallen an der Flusspromenade von Kuching. Hier in seinem Arbeitszimmer in der achten Etage, umgeben von Büchern, Papieren und Golftrophäen, treffe ich Balbir Singh, einen gut aussehenden, freundlichen Mann um die fünfzig. Er trägt einen dunklen, schon leicht angegrauten Bart, einen schwarz-violetten Turban und eine Lesebrille um den Hals. Obwohl er und seine Frau am nächsten Tag zu Besprechungen mit Gesundheitsbeamten in einen anderen Teil Borneos reisen wollen, hat er sich für mich ein wenig Zeit genommen. Ihre Entdeckung, dass P. knowlesi bei den Bewohnern von Kapit vorkommt, ist noch ziemlich neu und von großer Bedeutung für die Malariabehandlung in ganz Malaysia und darüber hinaus; sie sind gern bereit, darüber zu reden.
So erfahre ich, dass P. knowlesi in den Javaneraffen im Kronendach des Waldes lebt, ohne Symptome hervorzurufen. Ich höre von einem Landvermesser, einem Spion, der sich irgendwo draußen im malaysischen Urwald aufhielt. Ich höre die Geschichte von Julius Wagner-Juaregg, der Malaria-Pyrotherapie für Syphiliskranke und von Professor Ciuc ă , der in Rumänien zu diesem Zweck Plasmodium knowlesi einsetzte. Schließlich zeigt mir Singh auf seinem Computerbildschirm Fotos von Langhäusern der Iban am Oberlauf des Rajang. Dort, so sagt er, leben acht verschiedene ethnische Gruppen, die meisten sind aber Iban. Das hier ist ein Langhaus, darin finden zwischen fünf und fünfzig Familien Platz. Für Blutuntersuchungen ist das großartig – man muss nicht von Haus zu Haus gehen. Hier eine andere typische Szene: Sieht aus wie Gras, stimmt’s? Aber das ist kein Gras, das ist Bergreis. Sie bauen auch Mais an. Zur Erntezeit bleiben die Leute über Nacht in Hütten draußen auf ihren Feldern und bemühen sich, die Makaken zu vertreiben, die sich über das Getreide hermachen wollen. Sie erschießen die Tiere nicht, denn Kugeln sind zu teuer, und ein Javaneraffe hat nur sehr wenig Fleisch. Außerdem herrscht in manchen Langhäusern ein Tabu: Wenn du einen Affen tötest, besucht sein Geist den Bauch deiner schwangeren Frau, und das hat fürchterliche Folgen für das Baby. Die Affen sind frech und hartnäckig, aber man muss sie von dem Reisfeld fernhalten – am besten indem man mit den Armen fuchtelt, schreit und auf Töpfe schlägt. Zwei, drei Nächte hintereinander bleiben die Leute da draußen. Natürlich werden sie nachts von Mücken aus dem Wald gestochen, auch von Anopheles latens , die hier in der Gegend das wichtigste Überträgerinsekt für P. knowlesi ist.
»Das ist das Problem«, sagt er. »Wie kann man die Affen unter Kontrolle halten?« Die Ansteckung betrifft sowohl Männer als auch Frauen. Ihr Lebensunterhalt hängt davon ab, dass sie in den Wald gehen, wo es so viele Makaken und auch so viele Mücken gibt.
Er zeigt mir Mikroskopaufnahmen von malariainfizierten menschlichen Zellen. Ich sehe nur Kreise und Punkte. Für ihn sind es Trophozoiten, Schizonten und Gametocyten. Er redet schnell. Ja, stimme ich zu, man könne P. knowlesi leicht mit P. malariae verwechseln, wenn man nach diesem Erreger sucht. Kein Wunder, dass diese zoonotische Malaria so lange falsch diagnostiziert wurde. Kein Wunder, dass die Methoden der Molekulargenetik ganz neue Unterscheidungsmöglichkeiten eröffnet haben. Dann gehen wir hinunter ins Labor zu seiner Frau.
Janet Cox-Singh ist eine kleine Frau mit schwarz-braunen Haaren und feinen Gesichtszügen. Sie sitzt an einem Labortisch nicht weit von der PCR -Apparatur, vor ihr steht ein großer Computermonitor; darüber sehe ich auf
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