Spillover
Regalbrettern Schachteln voller Blutproben auf Filterpapier, getrocknet und verpackt, ein kostbares Archiv von Rohmaterial, aus dem sie und ihr Mann den größten Teil ihrer Befunde gewonnen haben. Man kann es sich als eine Art DNA -Trockenfleisch vorstellen. »Wir haben diese PCR -Methode entwickelt, weil wir dann nur Blutflecken auf Filterpapier brauchen und damit sehr schön die Epidemiologie der Malaria in abgelegenen Regionen untersuchen können«, sagt Cox-Singh. Und Kapit Division in Sarawak ist tatsächlich eine Region, wie sie abgelegener kaum sein kann.
Auf dem Fußboden in der Nähe stehen mehrere große Tanks mit flüssigem Stickstoff zum Transport eingefrorener Proben; diese umständlichere Methode, um Blut ins Labor zu bringen, ist noch nicht ganz überflüssig geworden, sie wird aber hier vielfach durch das Filterpapier-Verfahren umgangen. Nach der ersten Reise zum Oberlauf des Flusses, auf der Singh acht Menschen in den Finger gestochen und acht Proben auf Filterpapier gesammelt hatte, um daraus später die ersten Anhaltspunkte für P. knowlesi zu gewinnen, hat das Ehepaar bei Besuchen im Krankenhaus von Kapit und den benachbarten Langhäusern weitere Daten gesammelt. Außerdem haben sie anderen das Filterpapier-Verfahren beigebracht und damit ihren Aktionsradius erweitert. Sie haben Sets mit solchen Papierstücken an ausgebildete Helfer in anderen Teilen von Sarawak geschickt und im Gegenzug getrocknete, aber kostbare Blutflecken erhalten. Mit einem altmodischen Papierlocher (den sie zur Vermeidung von Verunreinigungen sorgfältig sterilisiert hatten) stanzten sie aus jedem Papierstück zwei kleine Flecken aus und verarbeiteten sie in der PCR -Apparatur weiter. Zwei verkrustete Flecken enthalten ungefähr 20 Mikroliter Blut, gerade genug, um daraus die DNA zu gewinnen. Diese kann man dann gezielt vermehren und anschließend damit arbeiten. Cox-Singh erklärt mir, dass sie die sogenannte »verschachtelte PCR « ( nested PCR ) angewendet haben, und skizziert dabei das Prinzip auf der Rückseite eines Fachartikels. Kleine Untereinheiten, 1500 Nucleotide, ribosomale RNA . Ich starre auf das Gekritzel. Das so entstandene vervielfältigte Produkt schickten sie zur genetischen Sequenzierung an ein Labor auf dem Festland. Jede Sequenz ist eine lange Reihe von Buchstaben, ein Abschnitt des genetischen Codes, der aussieht, als würde man ein entsetzliches Schimpfwort buchstabieren (ACCGCAGGAGCGCT …! ). Sie konnte man nun online mit einer riesigen Datenbank abgleichen und nach Übereinstimmungen mit bekannten Sequenzen suchen. Auf diese Weise hatten sie P. knowlesi bereits in den ersten Proben nachgewiesen, und seither sind viele weitere hinzugekommen.
Ihr Mann holt eine Schachtel vom Regal und öffnet sie. »Das hier ist unsere Blutfleckensammlung«, sagt er mit ruhigem Stolz. Borneo liegt abseits der ausgetretenen Wege und wird vermutlich nicht von allzu vielen Wissenschaftsjournalisten besucht. In der Schachtel sehe ich fein säuberlich sortierte Kunststoffumschläge; jeder enthält ein Stück Saugpapier, nicht größer als eine Visitenkarte, mit jeweils einem schwarz-braunen Fleck. In einer Karte, die ich mir genauer ansehe, befindet sich nahezu in der Mitte des dunklen Flecks ein kreisrundes kleines Loch. Der ausgestanzte Fleck, der hier fehlt, hat seine Geheimnisse bereits der Wissenschaft preisgegeben. DNA -Konfetti.
Während der ersten beiden Jahre, in denen die Arbeitsgruppe von Singh und Cox-Singh (wie alle Wissenschaftler hatten sie Helfer und Kollegen) die Bevölkerung von Kapit mit Flecken auf Filterpapier und PCR untersuchten, fanden sie 120 Fälle von P.-knowlesi -Malaria. Nach den Kenntnissen und Diagnoseverfahren früherer Zeiten hätte man bei den meisten dieser Patienten die relativ harmlose Form P. malariae diagnostiziert, und sie hätten nur eine geringfügige oder gar keine medizinische Versorgung erhalten. Dann hätten sie schwer gelitten oder noch Schlimmeres. Mit der richtigen Diagnose und einer aggressiven Therapie mit Medikamenten wie Chloroquin wären sie wieder gesund geworden. Der Aufsatz, in dem die Wissenschaftler ihre Befunde beschrieben, erschien in der angesehenen britischen Wissenschaftszeitschrift The Lancet ; darin lieferten sie den handfesten Beweis für das, was sie aufgrund des seltsamen Berichts über den Landvermesser BW bereits vermutet hatten: Die von P. knowlesi verursachte Malaria ist eine Zoonose.
Als die Arbeitsgruppe zwischen 2001 und 2006 ihre
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