Spillover
Untersuchungen ausweitete, konnte sie einige Hundert weitere Fälle von P.-knowlesi -Malaria identifizieren, darunter 266 aus Sarawak, 41 aus Sabah (dem zweiten malaysischen Bundesstaat auf der Insel Borneo) und fünf aus einer Region der malaiischen Halbinsel unmittelbar nordöstlich von Kuala Lumpur und damit vermutlich nicht weit von der Stelle entfernt, an der BW sich 1965 die Krankheit zugezogen hatte. Außerdem fanden sie P. knowlesi bei den meisten Javaneraffen, denen sie Blut entnehmen konnten; damit war bestätigt, dass diese Affen einen Reservoirwirt darstellen.
Und was noch dramatischer war: Die Arbeitsgruppe stieß auf vier Todesfälle unter Menschen – vier Malariapatienten, die alle ins Krankenhaus gegangen waren, dort (aufgrund der alten mikroskopischen Methoden) die falsche Diagnose P. malariae erhalten hatten und mit schweren Symptomen am Ende schließlich gestorben waren. Im Rückblick zeigte die PCR -Analyse ihrer Blutproben, dass alle vier in Wirklichkeit mit P. knowlesi infiziert waren. Diese Erkenntnis ließ nicht nur darauf schließen, dass die P.-knowlesi -Malaria eine zoonotische Krankheit ist; sie legte auch die Vermutung nahe, dass Menschen starben, weil Ärzte und Mikroskopiker die Wahrheit nicht kannten. Wie Cox-Singh mir erzählte, wurde die Veröffentlichung des Artikels, in dem sie, ihr Mann und ihre Kollegen die Untersuchungen an den vier Todesfällen beschrieben, anfangs abgelehnt. »Weil wir gesagt haben, dass es …« Ihr Mann führte den Satz zu Ende: »… Todesfälle verursacht.«
»Es verursacht Todesfälle«, fährt sie fort, »und das hat ihnen nicht gefallen.« Mit »ihnen« meint sie die anonymen Gutachter, die das Manuskript für The Lancet beurteilten. Die Redakteure der Zeitschrift, die ihren ersten Artikel freundlich aufgenommen hatten, lehnten diesen auf Empfehlung solcher Gutachter unter anderem deshalb ab, weil es in den vier Fällen keinen absoluten Beweis für die Todesursache gab. Einen solchen Beweis konnte es natürlich nicht geben: Cox-Singh und Singh hatten mit archivierten Blutproben gearbeitet und die Geschichte aufgrund der Krankenakten rekonstruiert, um so die Erkrankung der vier Menschen zu verstehen, deren Leichen für eine Obduktion längst nicht mehr zur Verfügung standen. »Deshalb sind wir auf Schwierigkeiten gestoßen.« Am Ende wurde der Artikel aber von einer anderen guten Fachzeitschrift angenommen, und als er dort Anfang 2008 erschien, verursachte er beträchtlichen Aufruhr. Die wesentliche Aussage war bereits im Titel enthalten: » Plasmodium knowlesi Malaria in Humans Is Widely Distributed and Potentially Life Threatening« (» Plasmodium-knowlesi -Malaria ist unter Menschen weit verbreitet und potenziell lebensbedrohlich«).
Wissenschaft wird in Labors und im Freiland betrieben, sie ist aber auch ein Gespräch, das auf dem Weg über die Fachzeitschriften geführt wird. Daran teilzunehmen, ist selbst im E-Mail-Zeitalter insbesondere dann wichtig, wenn ein Wissenschaftler von den meisten seiner Kollegen durch große Entfernungen getrennt ist. Vor diesem Hintergrund ließen Singh und Cox-Singh ihrem zweiten Artikel noch einen weiteren folgen, der wiederum in einer anderen Fachzeitschrift erschien. Darin fassten sie ihre Entdeckungen zusammen, gaben einen Überblick über die bisherigen Kenntnisse und formulierten einige konkrete Empfehlungen. Er trug als vorsichtigen Vorbehalt der Redaktion die Überschrift »Meinung«, in Wirklichkeit war er aber viel mehr: ein informativer Überblick, ein nachdenklicher Aufsatz und eine Warnung. Eine Liste von Koautoren gab es nicht, Cox-Singh und Singh sprachen ganz allein nur für sich selbst. Der Artikel war kurz vor meinem Treffen mit ihnen in gedruckter Form erschienen, und ich hatte eine Kopie bei mir.
Die Plasmodium-knowlesi -Malaria, so schreiben sie, ist für Menschen keine neu aufgetauchte Infektionskrankheit. Sie ist in unserer Spezies schon seit einiger Zeit verbreitet, wurde aber bisher übersehen. Als Reservoirwirte dienen drei asiatische Primatenarten: Javaneraffen, Schweinsaffen und Bindenlanguren. Auch andere, bisher nicht identifizierte Tieraffenarten könnten den Parasiten in sich tragen. Die Übertragung von einem Affen zum anderen (und auch von Affen zum Menschen) erfolgt auf dem Weg über Mücken, die zur Spezies Anopheles leucosphyrus und einigen eng verwandten Arten gehören, darunter auch Anopheles latens in Borneo . Anopheles latens ist in Wäldern heimisch und sticht in der
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